Der Täter ist verletzt, die Polizei kann ihn ganz in der Nähe des Tatorts festnehmen. Foto: 7aktuell/Zahn

In einem türkischen Restaurant gerät ein 21-jähriger Mitarbeiter in Streit mit einer 45-jährigen Kollegin. Er greift sich ein 80 Zentimeter langes Messer und bringt sie damit um. Außerdem verletzt er fünf weitere Menschen. Die Polizei fasst ihn in der Nähe des Tatorts.

Reutlingen - In der Reutlinger Innenstadt flattern rot-weiße Absperrbänder, die Polizei ist mit Dutzenden von Kräften im Einsatz, ein Hubschrauber kreist über den Dächern. In der Nähe des Zentralen Omnibusbahnhofes sind am Sonntagnachmittag ein polizeibekannter 21-jähriger Asylbewerber und eine 45-jährige Polin, die im gleichen Imbiss gearbeitet hat, in einen Streit geraten. Der junge Syrer hat die Frau auf offener Straße mit einem rund 80 Zentimeter langen Messer aus dem türkischen Restaurant attackiert und tödlich verletzt.

Sie lag ein Stück von dem Lokal entfernt auf der Straße. Die Polizei konnte den Syrer nur wenige Minuten später in der Nähe des Tatorts festnehmen. Er hatte nach dem ersten Angriff drei weitere Frauen und zwei Männer verletzt. „Es handelt sich um einen Einzeltäter“, sagt Björn Reusch, der Sprecher des Reutlinger Polizeipräsidiums. Die Polizei prüft, ob eine sogenannte Beziehungstat vorliegt.

In einer Reutlinger Asylbewerberunterkunft im Süden der Stadt hängt ein Foto des Syrers an der Eingangstür. Er hat Hausverbot, darüber informiert der Zettel in mehreren Sprachen. „Er durfte nicht mehr rein, er hat immer Probleme gemacht“, sagt Nadeem A., der für die Sicherheit zuständig ist. „Er war einer, der ständig geprügelt und Stress gemacht hat. Ich habe gerade die Männer im Haus über die Tat informiert, alle seien erschrocken gewesen. Das wirft ein schlechtes Bild auf die Syrer“, sagt der Wachmann, „dabei gibt es hier kaum Ärger.“

Getötete war womöglich schwanger

Der Täter wohnte zuletzt in einer anderen Flüchtlingsunterkunft, vor deren Eingang sich am Sonntagabend ein Dutzend junger Männer versammelt hat. Einer von ihnen ist Hamza Al Mohamad, er ist der Zimmernachbar des Täters. „Er war ein guter Mann, aber er hat immer viele Drogen genommen, Marihuana und Alkohol.“ Seit einigen Wochen habe er eine Freundin gehabt, seine Arbeitskollegin. „Ich glaube, sie war schwanger im vierten Monat“, so der Nachbar. Er habe sie jeden Tag mit in die Unterkunft gebracht. „Er hatte ein eigenes Zimmer, er war so gewalttätig.“ Seinen Körper habe er mit einer Rasierklinge geritzt, sagt Mohamad. Ein anderer Bewohner der Unterkunft erzählt, wie er den Syrer kurz vor der Tat am Busbahnhof aufgeregt hat telefonieren sehen: „Er war ganz rot im Gesicht und hat laut ins Telefon gesprochen.“

Ein Arbeitskollege des Täters schildert die Geschehnisse vom Sonntagnachmittag wie folgt: „Er ist mit dem Messer durch das Restaurant gerannt und hat es über dem Kopf geschwungen“, sagt Mohammad Alhelo. Der 20-Jährige war gerade dabei, den Getränkeautomaten mit Cola aufzufüllen, als der Amokläufer mit dem Messer um sich schlug. „Ich hatte Angst und bin auf die Straße gerannt“, sagt Alhelo. Er beschreibt den Täter als einen freundlichen Kerl, der vor eineinhalb Jahren allein aus Aleppo nach Deutschland gekommen sei. Er habe sich in dem Lokal in die Frau verliebt, die er nun getötet habe, sagt Alhelo. „Sie war Polin und hat bei uns das Geschirr abgeräumt.“

Im Restaurant einen guten Eindruck gemacht

Absolut unverständlich ist die Tat für Nihat Yildirim, er ist der Onkel des Restaurantbesitzers und kennt den Täter seit einigen Wochen. Nach Ramadan sei das Personal komplett ausgetauscht worden, um wieder Schwung in das Lokal zu bringen. Der junge Syrer habe sich um den Job beworben, er sei einer von vielen Interessenten gewesen. „Er hieß Mohamed und hat bei uns im Service geholfen, er hat einen guten Eindruck gemacht“, sagt der 46-Jährige und steht fassungslos nur wenige Meter vom Tatort entfernt. Umgefallene Stühle liegen auf dem Bürgersteig, die Polizei lenkt den Verkehr großräumig um. Der Imbiss könnte zentraler kaum liegen, er befindet sich zwischen einer Currywurstbude und einem Kleidergeschäft an der Reutlinger Hauptdurchgangsstraße, der Karlstraße.

Auf seiner Flucht rannte der Täter in Richtung  eines weiteren Kebab-Lokals und warf dort Stühle um. Daraufhin sei er 21-Jährige quer über die vierspurige Straße gelaufen, erzählt ein Augenzeuge. Der Täter schlug die Scheiben eines Citroën ein, in dem sich eine 51-jährige Frau sowie ein 41-jähriger Mann befanden. Bei dem Angriff erlitt die Frau Schnittwunden am Unterarm, die stationär in einem Krankenhaus behandelt werden mussten. Der Mann erlitt einen Schock und musste ebenfalls stationär aufgenommen werden.

Im Anschluss begab sich der junge Mann in eine in der Nähe befindliche Gaststätte in der Eberhardstraße und verletzte einen 23-jährigen Mann im Gesicht. Die Verletzungen mussten ebenfalls stationär behandelt werden. Danach ging der Täter zu einem Imbiss in der Wilhelmstraße und schlug dort mehrfach mit dem Messer auf einen Holztisch ein. Er flüchtete über die Karlstraße, wo er von einem Pkw BMW erfasst und zu Boden geschleudert wurde. Dort konnte er schließlich von der Polizei festgenommen werden. Während der Flucht des Täters verletzten sich in der Wilhelmstraße zwei Frauen im Alter von 54 und 21 Jahren. Die Ältere der Beiden musste aufgrund einer Kopfplatzwunde behandelt werden. Die Jüngere erlitt einen Schock. Beide wurden stationär in einer Klinik aufgenommen.

Der Täter ist wegen verschiedener Delikte bekannt

Ein Polizist ist damit beschäftigt, Neugierige vom Tatort fernzuhalten. Hunderte Menschen säumen die Straße, etliche mit gezücktem Handy. Einer zeigt ein Foto, das auf Twitter bereits die Runde macht. Es zeigt den jungen Täter auf dem Asphalt liegend, am Kopf und den Händen blutend.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) lobte nach der Tat das schnelle Eingreifen der Polizei. „Der Täter konnte Gott sei Dank gleich festgenommen werden, so dass von ihm keine weitere Gefahr ausgeht“, sagte der Minister am Sonntagabend. „Nach den Ereignissen von München und Würzburg haben die Menschen Angst. Sie sind verunsichert. Deshalb sind unsere Sicherheitsbehörden bei einer Bluttat wie der in Reutlingen in höchstem Maße sensibilisiert.“ Strobl stehe mit den Ermittlungsbehörden in ständigem Kontakt und lasse sich über die Ermittlungen auf dem Laufenden halten: „Meine Gedanken sind bei den Angehörigen der getöteten Frau und bei den Verletzten.“

Der Tatverdächtige ist der Polizei wegen verschiedener Delikte, unter anderem wegen Körperverletzung, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Eigentumsdelikten bekannt. Er wurde bei dem Zusammenstoß mit dem BMW verletzt und muss stationär intensivmedizinisch betreut werden. Er ist derzeit nicht vernehmungsfähig und wird von der Polizei bewacht.