Mord statt Trennung: In der Beziehung des Paars aus Poppenweiler hat es schon länger gekriselt. Foto: dpa

Eifersüchtig, anstrengend und dominant bis zur völligen Vereinnahmung. Freunde und Bekannte haben der 60-jährigen Frau, die ihr Lebenspartner am 23. Juni 2016 im Ludwigsburger Stadtteil Poppenweiler erschlagen und erstochen haben soll, kein gutes Zeugnis ausgestellt.

Ludwigsburg - Eifersüchtig, anstrengend und dominant bis zur völligen Vereinnahmung. Mit diesen und ähnlichen Merkmalen haben Freunde und Bekannte die 60-jährige Frau bedacht, die ihr Lebenspartner am 23. Juni 2016 im Ludwigsburger Stadtteil Poppenweiler erschlagen und erstochen haben soll. Bei der Fortsetzung des Verfahrens am Stuttgarter Landgericht am Dienstag waren Vertraute aufgefordert, vor allem ein Psychogramm des Opfers abzugeben.

Alle bestätigten reihum, dass es bei dem Paar schon mindestens ein Jahr lang gekriselt habe, aber niemand hatte eine Antwort auf die zentrale Frage des Gerichts: Warum haben sich die beiden nicht getrennt? Trennung sei nie ein Thema gewesen, hatte der Angeklagte gesagt, der die Tat gestanden hat. Zeugen sagten nun, es habe sehr wohl Versuche gegeben, sich zu trennen, aber sie seien voneinander nicht losgekommen. An jenem Tag sei er ausgerastet, hat der 55-Jährige gesagt. Zunächst habe er sie mit einer Pfanne auf den Kopf geschlagen, dann gewürgt und schließlich 17-mal mit einem Messer auf sie eingestochen. Vor Gericht hatte er es als Tat im Affekt dargestellt, in polizeilichen Vernehmungen hatte er erklärt, er habe sie vorsätzlich getötet.

Feingeist und Furie

Sie und die Getötete seien seit 2001 gut befreundet gewesen, sagte eine 70 Jahre alte Zeugin, die – wie das Opfer – in Stuttgart als Sprachtherapeutin gearbeitet hat. Ihre Freundin sei ein sehr feingeistiger Mensch gewesen, dem Philosophie, Religion und die Sprache über alles gegangen seien. Es habe sie begeistert, zu sehen, wie gut sich die Freundin die Gedanken von Geistesgrößen zu eigen machen konnte. Die Veranstaltungen der Sprachgestalterin, Schauspielerin und Rezitatorin seien stets beeindruckende Erlebnisse gewesen. „Wenn sie von etwas überzeugt war, dann hat sie das sehr engagiert verfolgt.“

Aber diese Tugend habe oft auch eine Kehrseite gehabt, mit der die Freundin viele vor den Kopf gestoßen habe. „Wenn sie fand, dass etwas nicht in Ordnung war, ballerte sie los. Dann hat sie alles nur noch in Schwarz-weiß gesehen.“ Im Lauf der Jahre habe sie so viele Freundinnen und Freunde verloren, sagte die Zeugin. „Ich selbst habe es nie abgekriegt. Ich vermute, nur deshalb, weil ich deutlich älter war.“

Diplomatie sei nicht ihre Stärke gewesen, sagte auch ein Ehepaar, mit dem das Opfer sowohl privat als auch als Angehörige der gleichen Religionsgemeinschaft – der der Anthroposophie nahestehenden Christengemeinschaft in Stuttgart – eng verbunden gewesen war. „Sie hatte Feuer“, sagte die Frau. Und wenn die 60-Jährige in Rage gewesen sei, habe sie keinerlei Rücksicht auf die Wünsche und Angelegenheiten anderer genommen.

„Der Angeklagte tat mir leid“

„Es kam vor, dass sie einem erst einmal zehn Minuten lang nur Vorwürfe gemacht hat“, erzählte die Frau. „Weil man sich zu selten sehe, weil man ihre Veranstaltung nicht besucht hatte.“ Ihre Kinder seien dann geflüchtet, sie habe es „abtropfen lassen“. Nach einiger Zeit sei die Freundin „dann wieder in die Spur gekommen“. Manchmal habe ihr der Angeklagte einfach leid getan, „weil er gegen sie nicht ankam“. Er sei eben der technisch versierte Mensch gewesen, während es seine Partnerin mit der Kunst und dem Wort hatte.

Dass er auf diesem Feld nicht mithalten konnte, sei wohl mehr und mehr zu einem Problem geworden, meinte die 70-jährige Sprachtherapeutin. Allerdings habe sie persönlich bewundert, wie sehr sich der Angeklagte bemüht habe. „Es war ein Glück für sie, dass sie ihn zum Freund hatte“, sagte die 70-Jährige. „Sie war anstrengend und sehr nervös. Vielleicht hätte sie ohne ihn gar nicht so lange durchgehalten.“

Der Mordprozess wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt.