Künftig sollen auch Lesben und Schwule diesem Pfeil folgen dürfen Foto: dpa

Trotz erhöhten Aids-Risikos sollen Schwule bald wieder Blut spenden dürfen. Auch Baden-Württembergs grün-rote Landesregierung ist dafür. Doch das Ganze hat auch seinen Preis.

Stuttgart - Seit vielen Jahren schon setzen sich Vertreter von Schwulen dafür ein, das generelle Blutspendeverbot für Schwule abzuschaffen. Das Verbot war eingeführt worden, nachdem sich in den achtziger Jahren Tausende Bluter mit aidsverseuchten Blutkonserven infiziert hatten. Und wer die höchstmögliche Sicherheit bei Blutspenden will, plädiert noch heute dafür, dieses Verbot beizubehalten. Denn Schwule haben noch immer ein erheblich höheres Risiko, sich mit den Erregern der Immunschwächekrankheit Aids (HIV) zu infizieren.

Das generelle Blutspendeverbot für Schwule wird aber zunehmend als diskriminierend empfunden – vor allem von den Schwulen selbst. Bevorzugt in der Urlaubszeit, wenn Blutspenden knapp werden, fordern daher Homosexuellen-Verbände eine Aufhebung des Verbots, so auch in diesen Sommerferien im Südwesten. „Es ist an der Zeit, dass die grün-rote Landesregierung die Forderung der Liberalen, dass auch Homosexuelle Blut spenden dürfen, aufnimmt und sich dafür auf Bundesebene starkmacht. Das wäre mal ein gelungener Plan von Grünen und SPD im Land“, erklärte zum Beispiel unlängst der Landesvorsitzende der Liberalen Schwulen und Lesben in Baden-Württemberg, Olaf Bentlage.

Bei der rot-grünen Landesregierung rennt man mit solchen Forderungen offene Türen ein, denn sie hat sich die weitestmögliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben zum Ziel gesetzt. Dazu arbeitet man an einem Aktionsplan, der dem Vernehmen nach Ende des Jahres vorgestellt werden soll und der unter anderem die Forderung enthalten soll, das generelle Blutspendeverbot für Schwule aufzuheben. Darauf habe man sich bereits verständigt, heißt es. Alleine kann das Land allerdings nichts ändern. Das Verbot ist in den bundesweit gültigen Hämotherapie-Richtlinien enthalten, die gemeinsam von der zuständigen Bundesoberbehörde (Paul-Ehrlich-Institut) und der Bundesärztekammer verantwortet werden.

Schon heute spenden viele Schwule Blut

Vor etwas mehr als zwei Jahren haben die Verantwortlichen auf Bundesebene ihren Widerstand gegen eine Aufhebung des Verbots aufgegeben. Eine Arbeitsgruppe empfahl im April 2012, schwulen Männern stattdessen eine einjährige Rückstellungspflicht aufzuerlegen. Dies bedeutet für Schwule konkret: Nur wer mindestens seit einem Jahr keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte, darf Blut spenden. Auf die Art kann nach Ansicht der Experten zuverlässig ausgeschlossen werden, dass sich im Spenderblut keine HIV-Viren mehr befinden – immer vorausgesetzt, die Angaben der Spender stimmen. Durch die Abschaffung des generellen Verbots erhofft man sich hier mehr Wahrhaftigkeit.

Schon heute spenden viele Schwule Blut, indem sie beim Ausfüllen des Fragebogens zum Gesundheitszustand und zu den Risiken ihre sexuelle Orientierung verschweigen. Sollten die Empfehlungen des Ausschusses umgesetzt werden, müssten sie künftig nicht mehr lügen, dafür aber intime Fragen beantworten, zum Beispiel nach dem Zeitpunkt des letzten Sexualkontakts. Für den liberalen Schwulen Olaf Bentlage wäre das kein Problem: „Ich fände das okay“, sagt er.

Heterosexuelle, die Blut spenden wollen, müssen schon jetzt intime Fragen beantworten: Wer in den letzten vier Monaten ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem neuen Partner hatte, darf kein Blut spenden. Drogenabhängige, Prostituierte und noch ein paar andere Risikogruppen sind generell nicht zugelassen. Die letzten HIV-Infektionen über Blutprodukte gab es in Deutschland 2007. Seit 2000 wurden fünf Virus-Übertragungen durch Transfusionen gemeldet. Das Risiko, aufgrund einer Bluttransfusion mit HIV infiziert zu werden, liegt bei eins zu 4,3 Millionen.

Erhöht sich dieses Risiko nun wieder, wenn man schwule Spender zulässt? Laut der Experten-Arbeitsgruppe allenfalls „geringgradig“. Dies hätten Modellrechnungen ergeben. Aus medizinischer Sicht sei ein dauerhafter Ausschluss von Personen mit hohem Infektionsrisiko „heute nicht mehr notwendig“, heißt es in ihrem Bericht.

In vielen Ländern gilt Blutspendeverbot für Schwule

Die Gesundheitsminister der Länder haben das Thema schon zweimal beraten – zuletzt im Juni dieses Jahres. Man sei sich weitgehend einig, das generelle Blutspendeverbot abzuschaffen, heißt es aus dem baden-württembergischen Sozialministerium. „Auch wir sind offen dafür“, sagt die Ministeriumssprecherin. Bevor die Länder aktiv werden, wollen sie aber der Sprecherin zufolge noch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abwarten.

Beim EuGH ist eine Klage eines Franzosen anhängig, der sich diskriminiert fühlt. Auch in Frankreich gilt für Schwule ein generelles Blutspendeverbot – ebenso in Ländern wie den USA, Kanada, Frankreich, Österreich, Schweiz oder Dänemark. In anderen Ländern – wie zum Beispiel Großbritannien, Schweden, Neuseeland und Australien – dürfen Schwule laut Stuttgarter Sozialministerium zwar Blut spenden, aber erst ein bis zehn Jahre nach ihrem letzten Sexualkontakt – je nach Land.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Europäische Gerichtshof das generelle Blutspendeverbot kippt, ist hoch. Der Generalanwalt, dem das Gericht in der Regel folgt, vertrat Mitte Juli in seinem Plädoyer die Meinung, dass ein solches Verbot eine indirekte Diskriminierung darstelle.

Er brachte als Alternative eine Rückstellungsfrist ins Gespräch sowie eine Änderung des Spenderfragebogens, die es dem medizinischen Personal ermögliche, mit den Betroffenen individuelle Gespräche über möglicherweise riskantes Sexualverhalten zu führen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs wird in den nächsten Monaten erwartet.