Die Meinungen von Anklage und Verteidigung gehen weit auseinander. Foto: dpa

Ein Flüchtling, der  seine Frau in Weil im Schönbuch niedergestochen hat, muss sich derzeit vor dem Landgericht verantworten. Was in der Nacht des 5. Dezember 2016 geschah, ist nichts für schwache Nerven.

Weil im Schönbuch - Unstrittig ist der Todeskampf. Die Frau erwachte aus dem Schlaf, als ihr Ehemann eine der beiden Töchter aus dem Bett hob. Er legte das Kind beiseite. Dann stach er mit dem Messer auf sie ein. Sie rang mit ihm, schon schwer blutend. Er warf sie auf den Boden und würgte sie. Sie kam frei, wollte zur Tür. Dann folgte der wuchtigste Stich, zehn Zentimeter tief und Millimeter am Herzen vorbei, der nebenbei eine Rippe durchtrennte. Weil der Sicherheitsdienst nahte, sprang der Ehemann aus dem Fenster.

So sieht es die Staatsanwaltschaft in diesem Prozess wegen versuchten Mordes als erwiesen an. Die Verteidigung widerspricht nicht, was auch schwer möglich wäre. 13 Stich- und Schnittverletzungen, eine Wiederbelebung und eine Notoperation lassen wenig Raum zu argumentieren. Außerdem hat der Angeklagte gestanden. Sehr wohl lässt aber die Höhe der Strafe Raum zu argumentieren. 13 Jahre Haft fordert die Staatsanwaltschaft, fünf die Verteidigung.

Das Ehepaar stammt aus Afghanistan

Die Tatnacht war der 5. Dezember des vergangenen Jahres, der Tatort ein Flüchtlingsheim in Weil im Schönbuch. Das Ehepaar stammt aus Afghanistan, was in diesem Prozess Anlass für allerlei Spekulationen über verletzte Ehrvorstellungen und ein islamisches Verständnis des Zusammenlebens von Mann und Frau ist. Das Opfer schildert ihre Ehe vor der Zeit in Deutschland als Sklaventum. Unstrittig ist, dass sie mit 13, vielleicht 14 Jahren zwangsverheiratet wurde. Die Zeit danach beschreibt sie als Jahre der Prügel, sogar eines früheren Mordversuchs mit Rattengift, als Jahre des Eingesperrtseins, der ständigen Überwachung seitens ihres Mannes und seiner Familie.

Am Martyrium der Ehe bestehen Zweifel

Ob diese Erzählungen wahr, übertrieben oder gelogen sind, ist nicht zu entscheiden. Auch darin herrscht Einigkeit zwischen den Parteien vor Gericht. Die Ehe während der Zeit in Deutschland beurteilen der Verteidiger Markus Bessler und die Anwältin Martina Fränkel hingegen unterschiedlich. Fränkel vertritt das Opfer als Nebenklägerin. Die Ehefrau „hat sich nach der Ankunft emanzipiert und ist selbstbewusster geworden“, sagt sie. „Sie hat versucht, ihr Leben zu leben.“ Dies auch mit einem anderen Mann, einem Geliebten, von dem ihr Ehemann offenbar an jenem Abend erfahren hat, aber dies scheint nicht eindeutig zu klären.

„Zwischen Freiheit und Rücksichtslosigkeit ist eine große Kluft“, sagt Bessler. „Mit Emanzipation hat das nichts zu tun.“ Zeugen hatten beschrieben, dass die Ehefrau ihren Mann gedemütigt habe. Sein Mandant, meint Bessler, „war ein typischer Hausmann, der alles erduldet hat“. Die Ehefrau habe sich weder um die Kinder gekümmert, noch um den Haushalt.

Was zwar nichts an den 13 Messerstichen ändert, aber womöglich die juristische Bewertung. Bessler hält die Tat für einen versuchten Totschlag im Affekt. Die Anklage hält einen heimtückischen Mordversuch für bewiesen. Dementsprechend klaffen die Meinungen zum Strafmaß auseinander. Am Donnerstag, 17. August, beginnt um 11.30 Uhr die Urteilsverkündung.