Ein Blockupy-Aktivist vor einer brennenden Barrikade in Frankfurt am Main. Foto: dpa

Autos gehen in Flammen auf, Scheiben zu Bruch. Militante Antikapitalisten aus ganz Europa protestieren am Mittwoch in Frankfurt gegen die EZB. Der teure Neubau wird zur Kulisse der Gewalt.

Frankfurt - Alle haben Ausschreitungen erwartet, aber nicht in diesem Ausmaß: Brennende Autos, gewaltsame Kämpfe zwischen Polizei und Demonstranten, Steine und Farbbeutel als Wurfgeschosse – was in Frankfurt als friedliche Demonstration der Protestbewegung Blockupy angekündigt war, entwickelt sich am Mittwoch zu einer regelrechten Straßenschlacht.

Die Stimmung ist schon am frühen Morgen explosiv. Die Demonstranten versuchen, die Eröffnung des neuen Gebäudes der Europäischen Zentralbank (EZB) zu stören. Einige Aktivisten klettern mit Saugnäpfen an der Fassade des Glasturmes hinauf – grinsen in die Fenster. „Gut so. Zeigt denen, dass wir in ihre Büros kommen, wenn es sein muss“, schreit ein Demonstrant. Es fliegen Feuerwerkskörper durch die Menge. Polizeihubschrauber kreisen über den Köpfen. Kurz nach 7 Uhr fliegt der erste Molotowcocktail auf ein Polizeifahrzeug. Weitere folgen. Insgesamt sieben Fahrzeuge brennen an diesem Morgen, wie die Polizei später bekanntgibt.

Die Beamten wirken überfordert

Obwohl die Beamten reihenweise Demonstranten abführen, wirken sie überfordert. In der Luft hängt der beißende Geruch von Tränengas. Horden von vermummten Beamten rennen durch die Straßen. Ein Demonstrant mit weißer Maske wird von den Polizisten aus dem Weg geschubst. Ein anderer wird am Kragen über den Asphalt gezogen. Eine Gruppe von Randalierern kommt bei einem Reifenhändler vorbei, stürmt in das Lager und schichtet Reifen auf der Straße zu einer Barrikade auf. Sekunden später steht sie in Flammen.

Das Frankfurter Ostend ist in weiten Teilen nicht das, was man als feines Wohnviertel bezeichnet. Die Bewohner sind kaum die richtige Adresse für Sprechchöre wie „Kapitalismus raus aus den Köpfen!“. Dennoch gibt es kaum eine Kreuzung in dem Stadtteil, auf der es nicht brennt. Der markante Klotz der EZB wird von dunklen Rauchschwaden verhüllt. Die Menschen halten sich Tücher vors Gesicht, der Rauch ist zeitweise unerträglich, die Feuerwehr kommt mit dem Löschen kaum nach. „Das ist nicht das, was wir geplant haben“, sagt Blockupy-Anmelder Ulrich Wilken, der für Die Linke im hessischen Landtag sitzt.

Auf soziale Missstände aufmerksam machen - möglichst laut

„Wir identifizieren uns nicht mit der Gewalt. Unser Ansatz ist ein rein friedlicher“, sagt auch Frieder Gebhart, der sich vor gut einem Jahr der Blockupy-Bewegung angeschlossen hat. Ihm geht es nicht darum, Menschen zu verletzen oder Staatseigentum zu zerstören. Er will an diesem Tag auf soziale Missstände aufmerksam machen. Und das möglichst laut. „Wir haben diese Demonstration organisiert, um der EZB und Deutschland zu zeigen, dass es so nicht weitergehen kann.“

In vielen EU-Staaten hat die Protestbewegung in den letzten Monaten großen Zuwachs erhalten. „Es wurden Busse organisiert, um unsere Anhänger aus ganz Europa nach Frankfurt zu bringen“, sagt Gebhart. 60 sollen es insgesamt sein. Die Sorge: „Die meisten Demonstranten werden erst am Nachmittag ankommen.“

Doch zunächst zeigt sich auch die andere Seite des Protestes. Die friedliche. Die angemeldete Kundgebung auf dem Frankfurter Römerberg, an der nach Zählung der Polizei rund 10 000 Menschen teilnehmen, verläuft ruhig. Ein dänischer Aktivist sagt: „Ich bin enttäuscht, warum muss so viel in Brand gesetzt werden?“

Eine Stadt im Ausnahmezustand

Bei strahlendem Sonnenschein lässt Sahra Wagenknecht (Linke) verlauten, man brauche kein Europa der Millionäre, das Vermögen gehöre den europäischen Bürgern. Die aktionistischen Bündnisse präsentieren sich an Ständen, und auf dem Platz vor dem Frankfurter Rathaus feiern die Menschen zu elektronischer Musik. „EZB wegfeiern“ steht auf einem Banner. Die Menge ist entspannt, ausgelassen. Als ob am Morgen nichts geschehen wäre. „Lasst uns diesen Tag würdig zu Ende bringen“, ruft ein Sprecher ins Mikrofon, und der abschließende Umzug startet.

Die Wut der Demonstranten hat am Mittwoch die Stadt in den Ausnahmezustand versetzt. Doch die Finanzmärkte agieren nicht auf der Straße. Ihre Transaktionen finden in den Rechenzentren der Bankenmetropole statt, unsichtbar und ungerührt werden sie auch am Blockupy-Tag in Frankfurt abgewickelt.

Ein Nachspiel wird der Tag der Gewalt in Frankfurt haben. Der Bundestag beschäftigt sich an diesem Donnerstag mit den Krawallen. Politiker aus Regierung und Opposition verurteilten die Ausschreitungen mit mehr als 200 Verletzten.