Die Autobahn 8 bei Leonberg im Morgenrot: Hier wurde auch beim Blitzmarathon gerast wie immer Foto: Leif Piechowski

Beim zweiten Blitzmarathon hat die Stuttgarter Polizei mehr Sünder als im Vorjahr erwischt – dennoch ging es an den mutmaßlichen Rennstrecken relativ ruhig zu. Außer auf der Autobahn: Auf der A 8 bei Leonberg wurde gerast wie immer.

Stuttgart - Der Blitz hat ihn völlig überrascht. „Ich war ganz verwundert, weil ich das Tempolimit gar nicht wahrgenommen habe“, sagt der 42-jährige Audi-TT-Fahrer. Als er am Donnerstag morgens um sechs auf der A 8 von Pforzheim nach Ulm unterwegs ist, frühstückt er am Steuer arglos eine Brezel und lässt den Tempomat ausgeschaltet, den er sonst in solchen Fällen aktiviert. „Da bin ich ja froh, dass ich nicht noch schneller gefahren bin“, sagt der Sportwagenfahrer. Sondern nur 150 km/h.

Auf der A 8 zwischen Rutesheim und Leonberg gilt freilich Tempo 120 – vor allem wegen des Trichters vorm Leonberger Dreieck, in dem sich der Verkehr Richtung Heilbronn und München neu sortieren muss. Stauträchtig, unfallgefährlich. Wer mit 150 talwärts auf diese Stelle zurast, zahlt 80 Euro und bekommt einen dicken Punkt in Flensburg. Am Donnerstag wird der eine oder andere Sünder sogar von einem Zivilfahrzeug oder Motorrad der Polizei zur Raststätte Sindelfinger Wald eskortiert. Anhaltekontrolle nennt man das – was besonders nützlich bei ausländischen Fahrern ist, bei denen ein Bußgeldbescheid sonst oftmals ins Leere laufen würde.

Martin Strohm von der Autobahnpolizei, der in einem VW-Bus den Verkehr beobachtet, hat für die Unwissenheit um ein Tempolimit kein Verständnis. „Wenn ich’s schon nicht weiß, muss ich ja nicht auch noch der Schnellste sein.“ Nun, der Allerschnellste ist ein anderer, der Fahrer eines Ford C-Max aus Köln. Von ihm gibt es nur das Foto. Zum Anhalten hatte Strohm grad keine Eskorte parat. Der Kölner fuhr 191 km/h.

385 Temposünder waren am Donnerstag zwischen 6 und 8 Uhr auf der A 8 bei Leonberg unterwegs. Von Zurückhaltung durch den angekündigten Blitzmarathon keine Spur. Bereits bei einem Test am Vortag hatte es dort in viereinhalb Stunden 840 Schnellfahrer gegeben – davon 73, die schneller als 161 km/h waren und sich dafür ein Fahrverbot eingehandelt haben. Die Donnerstagswerte wären, auf viereinhalb Stunden hochgerechnet, noch darüber gelegen.

Sind die Autofahrer gegenüber den Warnungen vor dem Blitzmarathon abgestumpft? „Zumindest auf der Autobahn könnte dies zutreffen“, sagt Ludwigsburgs Polizeisprecher Peter Widenhorn, der auf den Straßen in den Landkreisen Ludwigsburg und Böblingen dagegen weitaus zurückhaltendere Autofahrer erlebt. Sünderquote zwei Prozent.

Auch in Stuttgart geht es vergleichsweise ruhig zu. Udo Schuh und Uwe Sikeler von der Dienststelle Verkehrsunfallschwerpunktsbekämpfung bei der Stuttgarter Verkehrspolizei sitzen um 7.49 Uhr in ihrem Bus und rätseln. In zweieinhalb Stunden sind auf der B 14 zwischen Heslacher Tunnel und Schattenring 36 Autofahrer zu schnell unterwegs. Das ist eher wenig für die Strecke, die zuletzt Schauplatz mehrerer spektakuläre Unfälle mit überschlagenen Autos und Motorrädern war. Ob es daran liegt, dass es auf Höhe Rudolf-Sophien-Stift ruhiger zugeht als weiter unten am Tunnel? Doch es geht noch weniger: In der Mittleren Filderstraße am Fernsehturm gibt es etwa 20 Beanstandungen, an der Haldenrainstraße in Zuffenhausen nur fünf. In der Siemensstraße in Feuerbach heißt es anderthalb Stunden lang Fehlanzeige.

Und doch hat Uwe Sikeler das untrügliche Gefühl, dass bei der Zweitauflage des Blitzmarathons erheblich mehr Sünder entdeckt werden. Am Nachmittag zählt die Polizei 68 erwischte Schnellfahrer. Beim letzten 24-Stunden-Marathon waren es 69.

Die Neue Weinsteige leistet keinen wesentlichen Beitrag. Jennifer Wolf und Sebastian Müller nehmen den Verkehr, der talwärts bereits zwei stationäre Blitzer passiert hat, kurz vorm Ernst-Sieglin-Platz ins Visier. Zwischen 13.15 und 14.45 Uhr zeigt ihre Laserpistole fast nur brave Autofahrer an. Ein Mercedes SLK lässt zum Gruß den Auspuff röhren. „Ist ja klar, wenn man alles vorher ankündigt“, sagt die Polizistin. Sie landet aber zwei Treffer, darunter einen 28-jährigen Golf-Fahrer mit Tempo 69 statt 50. „Ich habe nichts mitbekommen vom Marathon“, sagt er, „aber selbst wenn – manchmal hat man so vieles im Kopf, da kann man schon mal zu schnell sein.“