Derzeit wird der Fahrbahnbelag der A 81 erneuert. Die Brückenschäden sind längst beseitigt. Foto: factum/Granville

Wohl weit mehr Autofahrer als bisher angenommen sind Anfang Dezember auf der A 81 zu Unrecht geblitzt worden. Es war nicht nur zeitweilig die Geschwindigkeitsanzeige ausgefallen. Auch die notwendigen Verkehrszeichen fehlten.

Ditzingen - Mehrere Hundert Autofahrer sind am 5. und 6. Dezember auf der A 81 bei Ditzingen in einer Radarfalle geblitzt worden. Später wurden einige der verschickten Bußgeldbescheide zurückgenommen. Es hatte sich herausgestellt, dass die elektronische Anzeige des Tempolimits stundenlang ausgefallen war. Die Autofahrer hatten demzufolge nichts von einer Beschränkung auf 60 statt Tempo 100 wissen können. Das Regierungspräsidium Stuttgart hatte die Begrenzung wegen Brückenschäden bei der Anschlussstelle Stuttgart-Feuerbach angeordnet.

Das war wohl nicht die einzige Panne bei der Geschwindigkeitskontrolle. Der Rechtsanwalt Volker Benzinger aus Bietigheim-Bissingen hat nach eigenen Angaben mehrere vermeintliche Raser erfolgreich vor Gericht vertreten. Abgesehen von der ausgefallenen elektronischen Anzeige sei man bisher von einer ansonsten korrekten Beschilderung und Beschränkung auf Tempo 60 ausgegangen, schildert Benzinger die Ausgangssituation. Für den Verkehrsrechtsexperten stellte sich die Situation indes völlig anders dar. Denn dort, wo der Blitzer das Tempo 60 überwachte, nämlich nach der Brücke, galt laut der Straßenverkehrsordnung wieder das eigentliche Tempolimit, also 100.

Wie viele haben zu Unrecht bezahlt?

Benzinger verwies in seiner Argumentation vor Gericht auf eine Anlage zu Paragraf 41 der Straßenverkehrsordnung. Der Paragraf selbst besagt, dass Verkehrsteilnehmer die Vorschriftszeichen zu beachten haben. In der Anlage heißt es aber, dass das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung nach einer Gefahrenstelle nicht gekennzeichnet ist, wenn die Beschränkung mit einem Gefahrenzeichen, also einem dreieckigen rot umrandeten Verkehrsschild angebracht wurde und sich nach an der Stelle zweifelsfrei ergibt, dass dort die Gefahr nicht mehr besteht.

Im Kern heißt dies: Nach einer Brücke gilt ein einmal wegen Brückenschäden angeordnetes Tempolimit automatisch nicht mehr, auch wenn – wie in diesem Fall – weitere Brücken folgen. Es gilt wieder das reguläre Tempo, in verhandelten Fall also 100. Das Limit war – zwei Brücken vor der maroden Brücke – auf einer elektronischen Verkehrsbeeinflussungsanlage angezeigt worden. Für eine rechtmäßige Kontrolle auf Tempo 60 an der maroden Brücke hätten die Behörden erneut auf eine Gefahr hinweisen müssen. Zur Verdeutlichung nennt Benzinger den Hinweis auf eine Rechtskurve mit Tempolimit. Das gelte für die nächste nach dem Schild kommende Rechtskurve. „Es endet automatisch am Ende der Rechtskurve, auch wenn weitere Rechtskurven kommen, da diese nicht zwangsläufig eine Gefahr darstellen müssen.“ Der Fachanwalt geht davon aus, „dass mit Sicherheit eine Vielzahl der Betroffenen entweder zu Unrecht überhaupt belangt oder jedenfalls zu Unrecht mit einer viel zu hohen Geldbuße und Fahrverbot belegt wurden“. Allerdings müsse jeder Einzelfall geprüft werden, eine generelle Aussage sei nicht möglich. Für seine Mandanten hatte der Hinweis bei Gericht auf das geltende Gesetz weitreichende Konsequenzen. „Die Fahrverbote fielen jeweils ersatzlos weg.“ In einem Fall blieben von rund 1200 Euro Bußgeld, einem dreimonatigen Fahrverbot sowie zwei Punkten in der Verkehrssünderkartei in Flensburg noch 140 Euro Bußgeld und ein Punkt übrig.

Hinweis mit weitreichenden Folgen

Dass die Situation an der Kontrollstelle auch aus Behördensicht vorsichtig formuliert verbesserungswürdig war, zeigt deren Reaktion. Laut Benzinger stand im Lauf des 6. Dezember vor der Messstelle ein Blechschild mit dem Hinweis auf Tempo 60. Das Regierungspräsidium, welches dies anordnet, bestätigt, dass „nachträglich noch ein weiteres Schild aufgestellt“ worden sei. Als Begründung führt die Behörde an, man habe „die Wirksamkeit der Anordnung erhöhen, das heißt die Aufmerksamkeit steigern und die Akzeptanz bei den Verkehrsteilnehmern erhöhen“ wollen.

Insgesamt wurden bei der Aktion 2096 Fahrer geblitzt. Offen ist, wie viele zu Unrecht bezahlten. Volker Benzinger will das nicht bewerten. Er sagt nur: „Es war unangemessen, dort in dieser Weise zu messen.“