Blink-182-Drummer Travis Barker Foto: MTI

Was „Eis am Stiel“ für die pubertäre Filmwelt der 1980er war, sind Blink-182 für die Sonnenscheinwelt des harmlosen Pop-Punk, in der es vor allem um zotige Witze und das Saufen geht.

Stuttgart - Was „Eis am Stiel“ für die pubertäre Filmwelt der 1980er war, sind Blink-182 für die Sonnenscheinwelt des harmlosen Pop-Punk, in der es vor allem um zotige Witze und das Saufen geht.

Die Sonderlinie der Stadtbahn an diesem kühlen Montagabend erinnert nicht zufällig an den Cannstatter Wasen. Grölende Menschen, rollende Bierflaschen und laute Musik ziehen wie eine Wolke zur Schleyerhalle, wo pünktlich um acht Zebrahead loslegen. Eine Support-Band, die genauso klingt wie der Headliner. Das gefällt dem Publikum. Erste alkoholbedingte Kollateralschäden werden aus der Halle bugsiert. Dazu läuft klebriger Pop-Punk mit matschigem Sound, und es gibt einen Vorgeschmack auf die Zotenparade, die ab 21.15 Uhr über Bad Cannstatt hereinbricht.

Blink-182, das sind drei Männer zwischen 38 und 42, die längst Familie haben, es aber immer noch für nötig befinden, Applaus für geleerte Gläser und Sprüche über Brüste oder Groupies zu ernten. Das war zu Zeiten von „Cheshire Cat“ oder „Dude Ranch“ natürlich etwas anderes. Damals, in den ebenso seligen wie fragwürdigen 1990ern, waren die Kalifornier um die 20 und einer der größten Fische im Spaßpunkbecken. Das reicht, um rund 6500 Menschen mittleren Alters in die Schleyerhalle zu locken. Die liegen sich bei „What’s My Age Again“ in den Armen wie bei einem Klassentreffen nach 20 Jahren und feiern natürlich besonders das Lied „All The Small Things“ frenetisch. Warum einige Herren ausgerechnet diesen Song zum Anlass nehmen, ihren Unterleib zu entblößen, bleibt jedoch ihr Geheimnis.

Sicher, es ist schön, dass es Blink-182 auch fünf Jahre nach ihrem Comeback nicht verlernt haben, ihren Fans genau das zu liefern, was sie erwarten. Es scheint nur so, dass die Erwartungshaltung denkbar niedrig ist. Immerhin liefern Gitarrist Tom DeLonge und Basser Mark Hoppus an diesem Abend alles andere als eine Glanzleistung, verspielen sich häufig und können auch gesanglich nicht überzeugen.

Schlagzeuger Travis Barker ist einmal mehr der barmherzige Samariter, der seine schwächelnden Kollegen mit einer unfassbar wilden Prügelorgie aus diesem Sumpf zieht und insbesondere bei den schnelleren Stücken wie ein besessener Derwisch auf seine Trommeln eindrischt. Ohne ihn, so viel steht fest, wäre das Desaster komplett.

Weitere Schwächen scheint die gleißend helle LED-Wucht übertünchen zu wollen. Sie erinnert eher an ein Fahrgeschäft auf dem Wasen nebenan als an eine Rockshow und bringt die Halle an den Rand der Erblindung. Aber da ist er eben wieder, der Volksfestcharakter dieser Show, der nur beim ernsten und erstaunlich wuchtig gespielten „Stay Together For The Kids“ herabgeregelt wird.