Cohn-Bendit ist Grünen-Fraktionschef im Europaparlament Foto: dapd

Der Grünen-Fraktionschef im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, über Bürger, Geduld und Basisdemokratie.


Herr Cohn-Bendit, der britische Premierminister David Cameron will die Engländer bis 2017 entscheiden lassen, ob sie in der EU bleiben oder austreten wollen. Ist das der Anfang vom Ende der Europäischen Union?

Die Briten haben das Recht, in der EU zu bleiben, und sie haben das Recht, aus der EU auszutreten. Aber sie haben nicht das Recht, permanent Europa zu erpressen. Cameron will im Grunde genommen einen Sonderstatus in der EU für England, indem sein Land zwar am europäischen Markt partizipieren, aber sonst nicht in der EU drin sein soll.

Ist die Geduld der Europäer mit ihm am Ende – oder seine Geduld mit Europa?
Seine Perspektive und seine Taktik sind nun: Wenn er die Briten bis zum Jahr 2017 über einen Austritt aus der EU abstimmen lässt, will er Europa weitere vier Jahre erpressen und diesen Sonderstatus weiterentwickeln. Das ist ein Europa à la carte, und das geht nicht. Europa ist kein Schweizer Käse, an dem die Löcher immer größer werden dürfen.

Müssten die Europäer nun nicht kontern und Cameron auf die Probe stellen: Großbritannien in der EU – ganz oder gar nicht?
Das ist genau meine These. Genau jetzt – und vor allem dürfen die europäischen Regierungen und das EU-Parlament nun nicht zusätzlich neue Sonderregelungen für England akzeptieren.

Cameron fädelt es trickreich ein: Er will die Bürger entscheiden lassen. Ein Grünen-Politiker wie Sie kann da schwer etwas dagegen haben . . .
. . .  natürlich: Ich bin für Referenden in dieser Frage. Das hängt nicht davon ab, ob die Bürger dafür oder dagegen sind. Das Verfahren ist grundsätzlich okay.

Doch was, wenn dieses basisdemokratische Instrument dazu führt, dass Großbritannien tatsächlich aus der EU austritt?
Dann sind die Briten draußen, ja.

Das wird die EU nicht schwächen?
Es wird uns vor allem deshalb nicht mehr schwächen, weil dann die Erpressungen von Cameron aufhören.

Oder wird es Europa gar stärken?
Wenn ein bewusstes Vollmitglied der Europäischen Union – in dem Fall: England – positiv zur Europäischen Union steht, ist das ein Plus, ein Gewinn für Europa. Ein permanent erpressendes England ist negativ für Europa.