Die Deutsche Post testet Drohnen bei der Auslieferung von Paketen. Foto: dpa

Die klassische Inventur im Lager wird zum Auslaufmodell. Drohnen und Roboter übernehmen die Logistik. Die Branche erwartet einen Umbruch in Rekordzeit.

München - Noch werden die Technologien vielfach erst entwickelt. Aber schon binnen zehn Jahren soll die Welt der Logistik ganz anders aussehen als heute. Das erwartet jedenfalls der hier zu Lande für Informationswirtschaft und Telekommunikation zuständige Branchenverband Bitkom sowie von ihm befragte Unternehmen von der Digitalisierung der Gütertransportbranche. Künftig sollen autonome Drohen mit Inventurauftrag durch Lagerhallen fliegen, Roboter bestellte Waren an Endkunden ausliefern und die Führer von autonom fahrenden Lastwagen einen 3D-Drucker im Anhänger betätigen, um eine Bestellung während des Transports zu fertigen. „Logistik verändert sich tiefgreifend und das sehr schnell“, prophezeit Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

Sie sei eine der Branchen, die von der Digitalisierung am radikalsten und rasantesten umgekrempelt werde. Das vermitteln auch die Antworten der gut 500 Spediteure, Handels- und Industriefirmen, die der Bitkom zu diesem Thema in Deutschland befragt hat. Zugleich sehen Unternehmen wie DHL, Rewe oder Zalando die Digitalisierung als größte Herausforderung innerhalb der Logistik – gleich nach den Spritpreisen und noch vor den Mautgebühren oder dem Fachkräftemangel.

Die Kosten der Digitalisierung sind nicht das Problem

Dabei seien es ausdrücklich nicht die Kosten der Digitalisierung, die Logistiker scheuen, stellt Rohleder klar – das sei nur bei jedem siebten Befragten der Fall. Fast drei Viertel aller Firmen wüssten schlicht nicht, wie sie den neuen Weg gehen sollen: „Den Unternehmen fehlt das Know-how, um die digitale Transformation aktiv gestalten zu können“, sagt Rohleder. Gleichzeitig rechnen neun von zehn Firmen damit, dass eine digitalisierte Logistik die Kosten senkt und Warentransporte beschleunigt. Fast so viele setzen darauf, dass digitale Transportketten weniger fehleranfällig sind.

Logistik, speziell die auf Firmengeländen oder in Lagerhallen, ist eine von den Augen der Öffentlichkeit abgeschottete Branche. Hinter den Kulissen nehmen die ersten digitalen Veränderungen aber bereits Gestalt an. Am weitesten verbreitet sind heute laut Bitkom-Umfrage fahrerlose Gabelstapler und intelligente Container, die hier zu Lande zwei von zehn Unternehmen nutzen und ungefähr nochmal so viele anschaffen wollen. Acht Prozent der Unternehmen statten ihr Logistikpersonal mit Datenbrillen aus, die einem im wahrsten Sinn des Wortes vor Augen führen, wohin man gehen muss und welche Ware es zu greifen gilt.

Kaum eine Firma nutzt jedoch intelligente Handschuhe, selbstlernende Maschinen oder Drohnen. Ihr Nutzen ist mal offensichtlich, mal erklärungsbedürftig wie bei smarten Scanner-Handschuhen: In der Logistik müssen viele Einzelteile und Waren in die Hand genommen und bewegt werden. Wenn ein intelligenter Handschuh das praktisch im Handumdrehen automatisch macht und die Mitarbeiter die Produkte nicht mehr aktiv scannen müssen, spare das zwei Drittel der Zeit, betont Rohleder.

In zehn Jahren sollen Roboter-Drohnen die Inventur übernommen haben

Bemerkenswert findet er auch, wie rasch Logistiker den Einzug der neuen digitalen Technik erwarten: So rechnen drei Viertel binnen zehn Jahren mit einem flächendeckenden Einsatz von Datenbrillen und zwei Drittel damit, dass selbstlernende Systeme softwarebasiert und autark Logistik-Aufgaben wie Routenplanung oder das Auslösen von Bestellvorgängen übernehmen. Rund sechs von zehn Unternehmen glauben auch, dass 2027 Roboter-Drohnen die Inventur übernommen haben oder Waren von selbstfahrenden Lkw, die es heute noch gar nicht gibt, zum Ziel gebracht werden.

Trotz bestehender Unsicherheiten glaubt der Bitkom daran, dass heimische Logistiker wie DHL, die heute auch im globalen Maßstab führend sind, ihre Spitzenstellung im digitalen Zeitalter verteidigen können. „Unsere Logistik-Dienstleister sind hellwach“, so Rohleder. Voraussetzung sei aber auch, dass die Politik den rechtlichen Rahmen an die neue Technik anpasse. Das betreffe vor allem Flugrechte für Drohnen im öffentlichen Raum und verbindliche Regelungen für selbstfahrende Lastwagen.

Zudem trete der ohnehin wachsende Fachkräftemangel bei digitaler Logistik besonders deutlich zu Tage, warnt der Bitkom-Funktionär. Heutige Lagerarbeiter seien im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz, Robotern und Drohnen kaum noch einsetzbar. Die Frage sei auch, wie viel Logistikpersonal das digitale Zeitalter überhaupt noch benötigt, wenn Arbeiten wie Inventur selbstständig von Drohen erledigt werden. Mit weniger Lastwagen werde eine digitalisierte Logistik auf jeden Fall auskommen, sagt Rohleder. Wie das beim Personal aussieht, mag er nicht abschätzen.