Birgit Keil mit Dackel - im Jahr 1982 Foto: Kraufmann

Sie ist Teil des Stuttgarter Ballettwunders. Aber als Weltstar wurde auch eine Birgit Keil nicht geboren, sondern wuchs mit den Aufgaben. Zum 70. Geburtstag der Ballerina sind wir zu ihren Anfängen hinab ins Archiv gestiegen.

Cäsar und Cleopatra heißen die süßen, struppigen Wesen, die im Gegensatz zu Frauchen ziemlich kurzbeinig daherkommen. Den beiden Rauhaardackeln begegnet, wer sich im Archiv unserer Zeitung auf die Suche nach Birgit Keil macht.

Auf die Suche nach Birgit Keil? In Stuttgart, mag mancher denken, ist das doch gar nicht nötig. So präsent bleibt die Ballerina ihrem Publikum, obwohl seit ihrem Abschied von der Bühne fast 20 Jahre vergangen sind.

Birgit Keil, am 22. September 1944 im Sudetenland geboren und damit an diesem Montag genau 70 Jahre alt, war die Ballerina von Weltformat, auf die Deutschland, so formulierte es der amerikanische Kritiker Clive Barnes, lange hatte warten müssen.

Sie war die Elegantissima des Stuttgarter Balletts, zu der sie der deutsche Ballettpapst Horst Koegler gekrönt hatte. Sie war neben Richard Cragun, Marcia Haydée und Egon Madsen einer der vier großen Stuttgarter Solistenstars, denen John Cranko mit seinem Ballett „Initialen R.B.M.E.“ ein Denkmal der Freundschaft setzte. Sie war, 1980 zur Kammertänzerin der Stuttgarter Staatstheater befördert, Partnerin von Weltstars wie Mikhail Baryshnikov und Rudolf Nurejew.

Und doch: 1961, als John Cranko das Stuttgarter Ballett gründete und Birgit Keil in seine Reihen holte, da waren noch nicht einmal die Eltern der Tänzer geboren, die sie heute als Direktorin des Badischen Staatsballetts in Karlsruhe beschäftigt oder als Leiterin der Akademie des Tanzes in Mannheim unterrichtet. 1963, als sie zur Solistin avancierte, waren die digitalen Zeiten noch fern. Und so muss man Schubladen öffnen und in Papier stöbern, wenn man sich diesem deutschen Superstar des Balletts annähern will.

1965 – da war Birgit Keil zur Fortbildung schon in London gewesen und hatte in Stuttgart mit dem Choreografen Kenneth MacMillan „Las Hermanas“ erarbeitet – gab sie im März ihr Debüt in der großen „Schwanensee“-Rolle. Unsere Zeitung begleitete den Abend, schließlich, so vermerkt die Kritik, sei Birgit Keil nicht nur Stuttgarterin, sondern auch das kostbarste Nachwuchsjuwel „unseres Balletts“.

„Ihr Aufstieg ist staunenerregend“, stand da zu lesen. Damals, als Odette/Odile zu bestehen hieß, sich neben einer Haydée, neben einer Fonteyn, die hier ab und an als Gast tanzte, zu bewähren. Und trotz kleiner Schwächen gelang Birgit Keil das Wunder. „Ihr Tanz“, so die Kritik weiter, „war von atemberaubender und makelloser lyrischer Schönheit.“

Auch ihr Debüt als Giselle gibt die Keil an der Seite von Richard Cragun – im Juni 1966. „Hinreißend“, notierte unser Kritiker, wie sie das von der Liebe plötzlich überfallene Mädchen tanzte, „nur in der Wahnsinnsszene wirkte die junge Tänzerin nicht überzeugend genug.“

Sich fallen lassen, sich vom Einstudierten befreien? Das ist nicht Birgit Keils Stärke, denn die liegt im klassisch-klaren Fließen. Dass ihr die Spontaneität fehle, vertraute sie im April 1993 auch der Reporterin der „Bild“-Zeitung an, die Birgit Keil und ihre große Liebe Vladimir Klos daheim über den Dächern von Stuttgart besuchen durfte.

„Je berühmter man ist, desto mehr muss man üben“, sagte damals die Tänzerin, die sich als Julia und als Tatjana in „Onegin“ Weltruhm ertanzt hatte. In „Romeo und Julia“ trat Birgit Keil übrigens 1968 erstmals auf, an der Seite von Jan Stripling. Fritz Höver von der Noverre-Gesellschaft war damals sehr angetan vom unbeschwerten, jugendlichen Charme der Tänzerin, der dann dramatischer Hingabe weicht. Er schrieb: „Eine wirklich große Leistung, in der ich sie allen bisherigen Gastballerinen vorziehen möchte.“

„Selten war sie besser“: Das stand im Februar 1970 über ihrem Debüt als Olga in „Onegin“. Kurz zuvor hatte Birgit Keil die erste Amerikatournee des Stuttgarter Balletts absolviert – von Verletzungen gehandicapt. Die nächste Tournee 1971 bedeutete auch für sie den Durchbruch. Für den Fotografen Hannes Kilian tanzte sie da in New York vor Wolkenkratzerkulisse auf der Straße.

Von da an blieb Birgit Keil die gefeierte Ballerina, der die Fotografen daheim in Stuttgart auf Dächer und ins Schwimmbad folgten – oder sie mit ihren Dackeln vor dem Opernhaus ablichteten. „Toujours 39“, 39 für immer: Das antwortet Birgit Keil gerne, wenn man sie auf ihr Alter anspricht. Und man wünscht ihr, dass sie sich weiterhin so jung fühlt, wie sie aussieht.