Die Arzneimittelproduktion mittels Zellkulturen boomt. Das Personal dafür wird knapp. Foto: Archiv

Oberschwabens stark wachsende Biotech-Unternehmen können ihren Personalbedarf immer schwerer decken. Die Rentschler GmbH baut jetzt erstmals im Ausland.

Ulm/Laupheim/Biberach - Als Perle der baden-württembergischen Wirtschaft wird die Biotechregion Ulm und Oberschwaben immer wieder bezeichnet. Zum Verbund gehören zwölf Unternehmen mit aktuell rund 12 500 Beschäftigten. Die umsatzstärksten sind Teva in Ulm, Rentschler in Laupheim, Boehringer-Ingelheim in Biberach und Vetter in Ravensburg. Hier sei aktuell der „Hotspot“ der bundesdeutschen Biotech-branche, sagt der Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm, Otto Sälzle, der zugleich Vorstand des Fördervereins Bio-Region Ulm ist.

Nun wird das Wachstum zunehmend durch den Mangel an Fachkräften bedroht, und das in einer Phase, in der mehrere Unternehmen millionenschwere Investitionen angeschoben haben. Bei Teva in Ulm beispielsweise – ehemals Ratiopharm – laufen die Vorbereitungen zum Bau einer neuen, 300 Millionen Euro teuren Biotechanlage, die für das Unternehmen laut Deutschland-Chef Markus Leyck Dieken zum „Quantensprung“ werden soll. Ab etwa 2020 sollen im Ulmer Donautal mit 300 zusätzlichen Mitarbeitern deutlich mehr Arzneimittel produziert werden.

Teva bildet bald auch Fachfremde fort

Woher das Fachpersonal kommen soll, ist derzeit noch unklar. Ein Teva-Sprecher kündigt eine Erweiterung der Ausbildungsplätze an. 2018 werde es zwei zertifizierte Ausbildungslehrgänge „für Mitarbeiter aus fachnahen und fachfremden Industrien“ geben. Heißt: Der existierende Stellenmarkt wird als weitgehend erschöpft betrachtet.

Rentschler in Laupheim (Kreis Biberach) geht – auch wegen des schwieriger werdenden Stellenmarktes – erstmals den Schritt ins Ausland. In Rankweil, Österreich, baut der Hersteller von Biopharmazeutika auf 6000 Quadratmeter Fläche eine Abfüllanlage für Wirkstoffe. Ab 2018 werden dort rund 100 neue Mitarbeiter beschäftigt sein. Das habe auch mit dem heimischen Stellenmarkt zu tun, bestätigt der Vorstandschef Frank Mathias. Die Zahl der eingehenden Bewerbungen bei Stellenausschreibungen gehe kontinuierlich zurück. Vor allem Naturwissenschaftler, biologisch-technische und chemisch-technische Assistenten sowie Pharmakanten fehlten. In der gesamten Region suche die Branche nach solchem Personal, es finde ein Wettbewerb statt. „Das Recruiting wird immer schwieriger.“

Rentschler braucht 200 neue Mitarbeiter

Die Perspektive beunruhigt Rentschler, weil auch in Laupheim enorme Investitionen gewagt wurden. Der mittelständische Dienstleister, der bei Kapazitätsengpässen fast aller großen Biotechproduzenten einspringt, hat gerade zwei neue 3000-Liter-Reaktoren in Betrieb genommen und damit die Produktionskapazität verdoppelt. In der 24 Millionen Euro teuren Anlage werden mithilfe von Mauszellen Proteine für Medikamente gezüchtet, die zum Beispiel in der Krebstherapie oder zur Behandlung von Entzündungskrankheiten eingesetzt werden. Gut 200 neue Mitarbeiter sucht Rentschler bis 2018.

Zu den Kunden der Laupheimer zählt auch Boehringer Ingelheim. In den vergangenen zwei Jahren hat das benachbarte Unternehmen 105 Millionen Euro in den Ausbau der Biopharmazie gesteckt, vor zwei Wochen war Spatenstich für ein weiteres Verwaltungsgebäude auf dem Biberacher Firmengelände. Es kostet rund 40 Millionen Euro. „Der Zugang zu gut qualifiziertem Personal ist kritisch für den Erfolg. Gerade in einem Geschäft, das schwer zu findende Qualifikationen erfordert“, sagt ein Unternehmenssprecher. Man müsse „aktiv um die Mitarbeiter werben“.

Ein Ende des Aufschwungs ist nicht in Sicht

Der Ulmer Kammer-Geschäftsführer Sälzle anerkennt den „Wettbewerb ums Personal“ und dass dies „für einzelne Unternehmen nicht so erfreulich“ ist. Im Werben um den Nachwuchs müsse sich „jedes Unternehmen positionieren“. Einen Fachkräftemangel sieht Sälzle aber nicht. Rund 1000 naturwissenschaftlich oder einschlägig technisch ausgebildete junge Leute verließen jährlich die Schulen und Hochschulen zwischen Ulm, Esslingen, Aalen und Sigmaringen. Reiche diese Zahl nicht aus, müsse man eben „schauen, was man machen kann“.

Rentschler-Chef Mathias sagt, sein Unternehmen präsentiere sich mittlerweile an Hochschulen von München über Karlsruhe bis Magdeburg. Die Personalsituation drohe zum limitierenden Faktor der Unternehmensplanung zu werden, denn der Boom der Biotechmedizin stehe erst am Anfang. „Ich glaube, dass wir immer mehr in die präventive Therapie kommen. Wir werden Krankheiten heilen, bevor sie entstehen.“ Der „größte Trend in der Industrie“ sei derzeit die Wirkstoffentwicklung gegen die Alzheimer-Krankheit. „Wir werden eines Tages gegen Alzheimer impfen können.“ Fragt sich nur, wo auf der Welt solche Wirkstoffe dann produziert werden.