Das EnBW-Kraftwerk im Neckartal (im Vordergrund) soll modernisiert werden – dabei wird bis 2019 eine größere Fläche frei Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die Anlage zur Vergärung des Stuttgarter Biomülls könnte statt in Zuffenhausen in Gaisburg gebaut werden. Dann würde man die Kosten und die Müllgebühren für die Haushalte senken, meint der Haus- und Grundbesitzerverein. Die Stadtverwaltung weist das zurück.

Stuttgart - Der Haus- und Grundbesitzerverein Stuttgart hat am Donnerstag überraschend Bedenken gegen die Pläne für den Bau einer Biomüll-Vergärungsanlage in Zuffenhausen angemeldet – nur viereinhalb Tage bevor der zuständige Gemeinderatsausschuss weitere Planungsaufträge vergeben will.

Die Kunde davon, dass die Energie Baden-Württemberg (EnBW) ihr Kohlekraftwerk in Gaisburg in ein Gaskraftwerk umwandeln und Flächen freimachen will, schaffe eine neue Lage, meint der Verein. Der Standort für die Biomüllvergärung müsse noch einmal auf den Prüfstand. Dieser Schritt sei schon deshalb geboten, weil die Anlage im Neckartal wahrscheinlich wirtschaftlicher wäre, meinen Vereinschef Klaus Lang und Geschäftsführer Ulrich Wecker. Die Abfallgebühren für Stuttgarts Haushalte müssten aber möglichst niedrig gehalten werden.

Wenn die Stadt die Anlage wie geplant in Zuffenhausen baue, die Stadtwerke Stuttgart mit dem Biogas dann Strom und Nahwärme für die Porsche AG produzieren, könnte die Stadt nach Einschätzung von Haus und Grund in eine Falle geraten: „Es besteht die Gefahr, dass nach ein paar Jahren der Preis gedrückt wird und dann im Gegenzug die Müllgebühren angehoben werden müssen.“ Bei den EnBW-Anlagen in Gaisburg könnten Strom und Wärme in bestehende Netze eingespeist werden. Da sei man nicht nur einem Abnehmer ausgeliefert.

Haus und Grund sieht aber auch andere Vorteile in Gaisburg, wo die EnBW durch Modernisierungen voraussichtlich 2019 mindestens 75 000 Quadratmeter Fläche freibekommen wird. Die Biogasanlage wäre dann in einem Industriegebiet, nicht in einem regionalen Grünzug. Hohe Kosten für den Schutz von Eidechsen würden nicht anfallen. Die Anlage könnte größer sein. Laut Haus und Grund wäre die EnBW auch bereit, die nötige Fläche an die Stadt zu verkaufen. Allerdings stelle sich die Frage, ob eine Kooperation zwischen EnBW und Stadt nicht besser wäre.

Nach Überzeugung von Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau (SPD) verkennt Haus und Grund aber die Realitäten: „Wir haben bei den Plänen für Zuffenhausen den point of no return schon passiert, das muss man mal akzeptieren.“ Sprich: Man könne nicht mehr umkehren. Für Gutachten habe die Stadt rund eine halbe Million Euro ausgegeben, weiteres Geld für die Umquartierung von artengeschützten Eidechsen. Die planungsrechtlichen Voraussetzungen seien fast geschaffen. Ob das Projekt in Gaisburg günstiger wäre, sei noch sehr die Frage. Außerdem habe man Gaisburg bei der Standortsuche vor rund vier Jahren aussortiert. Für die Anlieferung würden sich dort längere Fahrstrecken ergeben. EnBW sei in einer frühen Phase zwar mal interessiert gewesen, sich zu beteiligen, habe aber einen Durchsatz von mindestens 80 000 Tonnen pro Jahr statt 30 000 Tonnen verlangt. In dem Fall, sagte Thürnau, müssten mindestens 50 000 Tonnen von außerhalb Stuttgarts angekarrt werden. Die Folge: Mülltourismus. Mit Behandlungskosten von rund 60 Euro pro Tonne in Zuffenhausen plane man zudem eine wirtschaftliche Anlage. Im Moment zahle man mehr als 100 Euro für das Kompostwerk Kirchheim/Teck – ohne Transport.

Die Politik werde auf den Vorstoß von Haus und Grund nicht eingehen, prophezeit denn auch Philipp Hill, Müllexperte der CDU-Ratsfraktion und Parteifreund von Klaus Lang. Eine direkte Partnerschaft mit der EnBW wäre nicht möglich, vielmehr eine öffentliche Ausschreibung nötig. Es gebe Sachzwänge und einen Zeitdruck. Gaisburg ist für Hill daher kein Thema. Dabei pocht auch er darauf, die Müllgebühren gering zu halten. Daher will Hill am Dienstag erneut darauf drängen, dass die städtische Abfalltochter AWS in Zuffenhausen keine Preiszugeständnisse an die Stadtwerke macht, sondern auf „marktgerechte Erlöse“ besteht.