Näherinnen in Bangladesch - ein Textilbündnis gegen Ausbeutung könnte ihnen helfen. Ob es Aussichten hat? Foto: dpa

Einstürzende Produktionshallen, ausgebeutete Näherinnen – die Nachrichten aus den Produktionsländern der deutschen Textilindustrie sind unerträglich. Ein freiwilliges Bündnis soll Klarheit schaffen.

Stuttgart - Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat einen ehrgeizigen Plan: Er will Verbände, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Textilhersteller an einen Tisch bringen. Mit geballter Expertise und Marktmacht sollen in einem Textilbündnis die Umwelt- und Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern der deutschen Textilindustrie verbessert werden. Die wichtigen Verbände und großen Hersteller wie Adidas, Aldi, C&A und H&M haben sich bei dem Vorhaben allerdings ausgeklinkt. Nichtregierungsorganisationen fordern ein Gesetz, sollten sich in den kommenden Wochen nicht noch weitere Bündnispartner finden.

Bei dem Bündnis geht es darum, die Akteure, die in Deutschland mit der Herstellung und dem Verkauf von Textilien zu tun haben, in einen regelmäßigen Abstimmungsprozess einzubinden. Mittelfristig sollen sie gemeinsam Strategien entwickeln, damit bei der Herstellung von Kleidung und anderen Textilien ökologische und soziale Mindeststandards eingehalten werden – und zwar von der Baumwollernte bis zum Verkauf des Produktes. Grundlage ist ein Aktionsplan, den das Ministerium gemeinsam mit Verbandsfunktionären und einigen Firmenvertretern entwickelt hat.

Ziel des Aktionsplans ist es beispielsweise, die Gebäude, in denen Textilien produziert werden, sicherer zu machen, damit Katastrophen wie der Einsturz des Rana Plaza in Bangladesch im April 2013 künftig nicht mehr passieren. Kinderarbeit und Arbeitsverhältnisse, die an Sklaverei erinnern, sollen verboten werden. Einige sehr giftige Chemikalien kommen auf den Index.

Den großen Verbänden und Herstellern sind die Pläne zu ambitioniert. Insgesamt haben mehr als die Hälfte der Akteure, die Müller mit ins Boot holen will, abgesagt.

„Wir halten den Ansatz für richtig, dass sich die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern verbessern müssen“, sagte Markus Ostrop, Hauptgeschäftsführer des baden-württembergischen Branchenverbands Südwesttextil, unserer Zeitung. „Dies liegt aber nicht im Einflussbereich der Firmen.“ Stattdessen sei es die Aufgabe der Entwicklungspolitik, Druck auf die Regierungen in den Produktionsländern auszuüben, damit diese die Standards erhöhten.

Der Metzinger Modehersteller Hugo Boss hält die Initiative für grundsätzlich sehr wichtig, da sie eine allgemeinverbindliche Grundlage anstrebe, um nachhaltige Veränderungen bewirken zu können. „Aus unserer Sicht ist eine europäische Lösung jedoch entscheidend“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens. „So könnten auch international agierende Unternehmen erfolgreich mit in ein solches Bündnis eingeschlossen werden.“ Für einen Dialog sei Hugo Boss offen. Andere Textilfirmen aus Baden-Württemberg wie Mustang oder Schiesser wollten sich gar nicht zu dem Bündnis äußern.

Die Textilkette H&M sei als einziges internationales Unternehmen bei den Vorgesprächen aktiv beteiligt gewesen, sagte eine Sprecherin. Letztlich sei der Beitritt daran gescheitert, dass das Entwicklungsministerium die englische Ausfertigung der Papiere nicht rechtzeitig geliefert habe. Da sich der Firmensitz von H&M in Stockholm befindet, müsse der Beitritt auch dort geprüft und entschieden werden, sagte die Sprecherin.

Dabei müssen die Firmen beim Beitritt zum Aktionsbündnis nur ihre Absicht erklären, den Aktionsplan einzuhalten. Strafen drohen somit keine. Bisher sind dem Bündnis nur Firmen beigetreten, die ohnehin schon hohe Sozialstandards haben wie Hess Natur, Trigema oder Vaude.

Müller hofft, dass dem Bündnis künftig noch mehr Firmen beitreten. Dann will er auch ein Siegel einführen. Es könnte möglicherweise „grüner Knopf“ heißen.