Welche Bedeutung hat das Kopftuch? Foto: factum/Granville

Eine Initiative setzt sich für Angebote in deutscher Sprache ein. Ziel ist es, an Moscheen vor allem jungen Muslimen zu helfen, sich besser zurechtzufinden.

Herrenberg - Zakaria Oulabi ist keiner, der sich in gesellschaftspolitische Debatten um die Integration verliert. Der 30-Jährige nimmt die Dinge lieber selbst in die Hand. Mit seinem Bildungsprojekt zur Förderung deutschsprachigen Moscheeunterrichts, abgekürzt Födem, will er Imame und Betreuer in

den Herrenberger Moscheegemeinden dazu anleiten, vor allem jungen Menschen den Islam mit deutschsprachigem Lehrmaterial näherzubringen. Unterstützt wird Oulabi bei diesem offenbar im Land bisher einmaligen Vorhaben von Ina Mohr von der Koordinationsstelle für Bürgerschaftliches Engagement der Stadt: „Es ist ein herausragendes Projekt mit Signalwirkung über die Stadtgrenzen hinaus.“

Bei der Auftaktveranstaltung im vergangenen Jahr seien zahlreiche Vertreter von drei Herrenberger Moscheegemeinden mit von der Partie gewesen, die das Vorhaben umsetzen und mit regelmäßigen Angeboten in diesem Jahr beginnen wollten, erklärt Mohr. Die Inhalte entwickeln zwölf Bachelor-Studenten vom Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Tübingen, Vertreter der Moscheegemeinden stehen unterstützend zur Seite. Dazu finden derzeit Treffen im Herrenberger Klosterhof statt.

Mehr als klassischer Koranunterricht

Zakaria Oulabi geht es dabei um mehr als klassischen Koranunterricht. Neben grundsätzlichem Wissen über ihre Religion sollen die Lehrenden auch alltägliche Themen vermitteln mit Fragen wie: Welche Bedeutung hat das Kopftuch? Wie verhält man sich bei der Arbeit? „Födem will dafür sensibilisieren, diese Fragen grundsätzlich verstärkt auf Deutsch zu diskutieren, nicht nur im Unterricht, auch im Rahmen von Jugendprogrammen und Begegnungen, innerhalb wie außerhalb der Moscheen“, sagt Oulabi.

Einen „Islam mit deutschem Verständnis“ will Zakaria Oulabi etablieren, und das hat auch mit seiner eigenen Geschichte zu tun. Als Sohn syrischer Eltern ist er in Frankfurt am Main geboren und aufgewachsen, später zum Studieren nach Reutlingen gezogen. Inzwischen lebt er seit dem Jahr 2006 in Mötzingen und arbeitet selbstständig in einem Bausanierungsbetrieb. „Als praktizierender Muslim halte ich mich regelmäßig in den Herrenberger Moscheen auf“, berichtet er. Die Angebote seien dort sehr von der türkischen Sprache geprägt, „das ist historisch gewachsen“.

Flüchtlinge suchen Anschluss in Moscheegemeinden

Seine ehrenamtliche Initiative, die er vor einem Jahr gestartet hat, will er nicht als Konkurrenz verstanden wissen, sondern als Ergänzung, die aus zwei Gründen notwendig sei. Nicht erst seit der Flüchtlingskrise suchten viele Muslime mit verschiedenen Muttersprachen Anschluss in den Moscheegemeinden, für die Deutsch ein gemeinsamer Nenner sein könnte. Und er sieht die „Sprache als Schlüssel für mehr Kommunikation mit der Gesellschaft, gerade in Zeiten, wo es auch darum geht, Vorurteile und Misstrauen abzubauen“.

In den Moscheen gebe es grundsätzlich eine große Bereitschaft zum Dialog, sagt Zakaria Oulabi, „sie haben ihre Türen immer offen“. Manchmal bräuchte es aber einen Anstoß von außen, um diese Bereitschaft noch öfter in die Tat umzusetzen. Den sollen die Mitstreiter bei Födem geben. In einer kleinen Bibliothek finden sie deutschsprachige Literatur über den Islam. Und in einem geschützten Bereich der Projekt-Webseite können die Teilnehmer auf das erarbeitete Material zugreifen.

Radikale Inhalte im Internet

Die Initiative sei derzeit also im Aufbau. Man müsse sie aber nicht unbedingt auf professionelle Beine stellen, dennoch koste sie Geld, sagt Oulabi. 5000 Euro flossen im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ der Bundesregierung über die städtische Stabsstelle Bürgerschaftliches Engagement in die Kasse. „Födem ist wichtig, weil das Projekt zur Vernetzung beiträgt und beim gegenseitigen Kennenlernen weiterhilft“, sagt Ina Mohr. Der Projektleiter Oulabi hofft, dass er weitere Förderer und Partner gewinnt. Momentan lebe Födem vom Ehrenamt und vom Engagement der Studenten.

Es vergehe wohl noch einige Zeit, bis der erste deutschsprachige Imam in Herrenberg lehre. „Bislang ist fast jeder nicht in Deutschland ausgebildet worden“, sagt Oulabi. Auch deshalb täten sich viele Muslime schwer, ihren Glauben auf Deutsch zu erklären. Mit den deutschsprachigen Angeboten möchte er jugendliche Muslime davor bewahren, sich Informationen an falscher Stelle zu holen und auf radikale Inhalte zu stoßen. „Es ist nicht gut, wenn sie ihr Informationsbedürfnis im Internet stillen. Wenn sie etwas über den Islam wissen wollen, sollen sie auf gutes Material zugreifen können. Das müssen die Moscheen ihnen bieten“, erklärt Oulabi.