Schulgründer Fiona Brunk und Stefan Döring in einem Straßencafé im Berliner Stadtteil Wedding. Foto: dpa

Gut gemeint und schlecht gemacht? Die Lehrergewerkschaft GEW befürchtet Privatschulen für sozial Schwache könnten dazu führen, dass an der Regelschule nur noch die Schwächsten lernen.

Riesige Mietskasernen, Männer, die schon vormittags auf der Straße Bier trinken, überall Frauen mit Kopftuch – willkommen in Berlin-Wedding. Hier wollen zwei Hochschulabsolventen eine Privatschule gründen.

Was erst einmal abwegig klingt, hat einen gut gemeinten Hintergrund. 80 Prozent der Kinder in dem Berliner Ortsteil haben einen Migrationshintergrund. Zwei Drittel aller Kinder leben von Hartz IV. Ein Drittel der Jugendlichen im Wedding verlässt die Schule ohne Abschluss.

Für je zwölf Kinder zwei Lehrkräfte

Sie sollen von der neuen Privatschule namens Quinoa profitieren. Das Konzept sieht Unterricht nach Maß für die Einwandererkinder von der siebten bis zur zehnten Klasse vor. Für je zwölf Kinder stehen zwei Lehrkräfte zur Verfügung. Gelernt wird immer wochenweise nur ein einziges Fach. Morgens die Hauptfächer Deutsch, Mathe, Englisch. Nachmittags sind die Naturwissenschaften, Geografie, Geschichte sowie Musik und Kunst an der Reihe.

Neben dem Fachunterricht wird jede Schulstunde auch dazu genutzt, den Kindern besseres Deutsch beizubringen. Arabisch und Türkisch gibt es als Wahlfächer. Vom nächsten Schuljahr an, soll das Projekt starten.

Das kostet viel Geld. Pro Schuljahr und Schüler 6000 Euro. Zahlen sollen die Eltern aber nur, falls sie überhaupt ein Einkommen haben und dann auch nur soviel, wie man für die Ganztagesbetreuung in einer Berliner Kita bezahlt. Ein System, das nach Einkommen gestaffelt ist. Finanziert werden soll das Projekt über Spenden und staatliche Zuschüsse. Die Vodafone-Stiftung hat die Anschubfinanzierung übernommen.

"Mehr Privatschulen lösen das Problem nicht"

Eine gute Sache könnte man meinen, doch nicht jeder ist von dem Ansatz überzeugt. Die Gewerkschaft der Lehrer kritisiert das Projekt. „Mehr Privatschulen lösen das Problem nicht, sondern verschärfen es noch“, sagt Sigrid Baumgardt, die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW Berlin unserer Zeitung. Sie kritisiert, das Angebot der Privatschule richte sich ausschließlich an Eltern, die selbst Initiative ergreifen. „Das sind diejenigen, bei denen von zuhause aus noch Interesse an Bildung besteht.“ Sie befürchtet, dass am Ende in den staatlichen Schulen nur noch die Schlechtesten der schlechten Schüler sitzen.

Das dort nicht alles zum Besten bestellt ist, streitet sie aber nicht ab. „Es müsste mehr Geld bereits gestellt werden, um die abzuholen, die zuhause überhaupt nicht gefördert werden.“ Immerhin hat die Senatsverwaltung in Berlin nun ein Programm aufgelegt, das Schulen mit einem hohen Anteil an Kindern aus Hartz-IV-Empfängerfamilien mit bis zu 100 000 Euro bezuschusst.

Klara Sucher, Sprecherin des Privatschulprojekts Quinoa, hält die Sorgen der Lehrergewerkschaft für unbegründet. „Wir wollen den ganzen Wedding in unserer Schule abbilden“, sagt sie. Eine Mitarbeiterin sei ausschließlich dafür da, Kontakt zu Lehrern anderer Schulen und zu Sozialarbeitern herzustellen. Dadurch sollen Schüler für das Projekt gewonnen werden, deren Eltern alles egal zu sein scheint. „Wir haben bisher 24 Anmeldungen, davon sind die Hälfte auf diesem Weg zu uns gelangt“, sagt Kocher.

Mitarbeiterin kümmert sich um Kontaktaufnahme

Hört man sich vor Ort um, ist die Meinung gespalten. Habib Wain setzt auf die Regelschulen. Der 20-jährige Maschinenbaustudent mit pakistanischen Wurzeln ist im Wedding aufgewachsen. Er hat an einer staatlichen Schule Abitur gemacht und glaubt nicht, dass die Privatinitiative hilfreich ist. „Meine Eltern haben zuhause nur Urdu gesprochen, ich habe Deutsch von meinen deutschstämmigen Klassenkameraden gelernt“, sagt er.

Anders sieht es Hüseyin Cengiz. Der 47-jährige Verkäufer hätte seine Kinder gerne auf eine Privatschule geschickt, wenn er es sich hätte leisten können.

„Aus meiner Sicht ist eine Privatschule immer besser. Die Lehrer sind nicht verbeamtet und dem Leistungsprinzip unterworfen.“ Doch für seinen Nachwuchs ist es zu spät, sie sind schon erwachsen.

Ob sich Privatschulen wie Quinoa durchsetzen können, muss sich erst noch zeigen. Noch fehlen 144 000 Euro, um nur die ersten 24 Schüler bis zur zehnten Klasse zu unterrichten. „Wir suchen weiterhin Spender“, sagt Klara Sucher.