In Handarbeit wurden um 1900 die Bierflaschen in der Hoepfner Brauerei in Karlsruhe abgefüllt. Foto: Hoepfner Brauerei

Vom Heilmittel zur Volksdroge: Das Technomuseum Mannheim beleuchtet 500 Jahre Bier-Geschichte.

mannheim - Das ist doch mal ein medizinischer Ratschlag, den man gern befolgt: Von einem Emaille-Werbeschild lacht uns ein weißbekittelter Arzt an und streckt uns ein großes Bier entgegen, mit mächtiger Schaumkrone und von der Kühle beschlagenem Glas. Anamnese und Therapie sind eindeutig: „Überarbeitet? Bier hilft entspannen! Nervös? Bier beruhigt die Nerven! Verkrampft? Bier lockert die Glieder!“ Groß gedruckt dann die Botschaft: „Bier ist gut . . . sagt der Arzt!“ Die neueste Sonderausstellung im Technoseum – eine Kampagne für Volksdroge Nummer Eins? Und das in einem Museum, das möglichst junge Besucher anlocken möchte?

Gemach. Zunächst geht es erst einmal um ein historisches Datum. Im Jahr 1516 bestimmten die bayerischen Herzöge, „wie das pier summer und winter auf dem Land sol geschenkt und prauen werden.“ Nämlich: „Zu kainem Pier merer dann allain Gersten, Hopfen und Wasser genomen sölle werden.“ So ein Reinheitsgebot tat auch Not, denn in der Zeit vor der Kühlung kippte das Bier oft ins Ungenießbare – was dann mit Kräutern, Kreide, Ochsengalle oder Gips überdeckt wurde.

Danach geht es, wie es sich für ein Technik-Museum gehört, um das Handwerk des Brauens und die Logistik der Bierwirtschaft. Alle Schritte zur Bierherstellung werden so genau präsentiert, dass man hinterher an einer interaktiven Station virtuell selber Bier brauen kann. Und selbst ein eher trockenes Thema wie die Distribution wird lebendig anhand von bunten Bierdosen oder von Geschichten aus der Ferne: Ein Foto zeigt, wie ein Chinese sein Bier nach Hause trägt, abgefüllt in offenen Plastiktüten.

5000 Biersorten gibt es in Deutschland

Überhaupt, und darauf legt das Technoseum-Team besonderen Wert, geht es auch um die sozialen und kulturellen Folgen der Bier-Herstellung – und da hat Projektleiterin Anne Mahn eine beeindruckende Sammlung an Fotos, Dokumenten und Ausstellungstücken zusammengetragen. Oder Installationen, wie eine Wand aus unterschiedlichsten Bierflaschen. Sinnbild für die Zahl 5000: So viele Biersorten gibt es in Deutschland und wer jeden Tag eine neue probiert, wird dafür dreizehneinhalb Jahre brauchen. Ja, Bier war und ist populär. Schon die Ägypter sogen es mit Trinkhalmen ein wie die Eimersäufer vom Ballermann und die eher für alternative Heilmethoden stehende Hildegard von Bingen forderte ihre Kranken auf: „Trinkt Bier!“

Das taten und tun die Deutschen reichlich, angefeuert von der Werbung. Die Ausstellung hat herrliche Plakate, Fotos und Filme zusammengetragen, die zum Biergenuss animieren. Manchmal politisch gar nicht mehr korrekt, wenn lachende Kinder beim Bierholen gezeigt oder gar in einem Film Menschenfresser von der Verfolgung abgehalten werden, indem sie Bierflaschen hingeworfen bekommen. Und noch 1975 brachte Playmobil ein Bauarbeiter-Set samt Bierkasten heraus. „Das ist heute schon meine fünfte Flasche“, sagt so ein Bauarbeiter-Männchen in der Werbung. Antwortet der Kollege: „Macht nichts, es ist genug Bier da.“

Aber die Zeiten haben sich geändert. Die Ausstellungsmacher haben den alten Dinkelacker-Bier-Automaten einer Firma von der Alb aufgetrieben, auf dem handschriftlich steht: „Es gibt kein Bier mehr laut Geschäftsleitung.“ Prävention wird immer wichtiger, und da geht auch die Ausstellung auf Gegenkurs zur ärztlichen Biertherapie und zeigt die Folgen des Rauschs – bis hin zur Großaufnahme eines vom Alkohol verwüsteten Hirns.

Im Trend sind Craft-Biere

Was bringt die Zukunft? Wieder eine Lockerung des Reinheitsgebotes? Der Trend sind Craft-Biere: als Gegenbewegung zu den Großbrauereien selbst hergestelltes Bier, gern auch mit exotischeren Zusätzen wie Heidelbeerlimonade oder der Reifung im Rotwein- oder Tequila-Fass. Bier dürfen diese Getränke offiziell nicht mehr heißen, sondern etwa Bier-Mischgetränk. Aber ein interessanter Nischenmarkt in einer Branche, die immer weniger Bier verkauft, sind sie schon.

Infos

Termine: Die Ausstellung ist bis 24. Juli zu sehen. Öffentliche Führungen gibt es freitags, sonntags und feiertags um 14 Uhr. Am 23. April, dem Tag des Bieres, stellen sich regionale Brauereien vor, das Braugewerbe und einige Hochschulen informieren über Ausbildungswege.

Technoseum: Täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Museumsstraße 1, Mannheim. Tel. 06 21 / 4 29 89, www.technoseum.de Eintritt: acht Euro, ermäßigt fünf Euro.