Egal bei welchem Wetter – der Franzose Martin Fourcade ist der derzeit stärkste Biathlet Foto: dpa

Kein Flöckchen ist mehr übrig. Die Depots in Ruhpolding sind leer. Sogar mit Lastwagen wurde der Schnee für den Biathlon-Weltcup an die Loipe gekarrt, damit der Wettbewerb stattfinden kann. Für den regulären Klassiker der Herren hat es dennoch nicht gereicht.

Ruhpolding - Als Engelbert Schweiger an diesem Mittwoch nach dem Aufstehen aus dem Fenster gelinst hat, „habe ich mich gefreut wie ein kleines Kind“. Die Tannen sind weiß, die Berge schneebedeckt: Der Winter ist da. Das freut vor allem die Organisatoren des Biathlon-Weltcups in Ruhpolding. Also auch Schweiger, den Chef der Chiemgau-Arena, in der zurzeit die Skijäger ihre Runden drehen. Dabei ist in Ruhpolding für den Wintersport eigentlich gar kein Winter notwendig. Auch Teil eins des Doppelweltcups fand weitestgehend im Grünen statt.

Eine Absage stand nie zur Diskussion. Im Gegenteil: Die Bayern sprangen sogar für Oberhof ein, wo wegen des ausbleibenden Winters keine Rennen stattfinden konnten. „Für uns war das eine große Herausforderung“, sagt Claus Pichler, Bürgermeister von Ruhpolding und Chef des Organisationskomitees, „aber wir haben es gut gemeistert.“ Auch dank der Hilfe der umliegenden Gemeinden und der anderen Weltcup-Orte.

Tonnenweise Kunstschnee wurde per Lkw in die Arena transportiert

Es wurde tonnenweise Kunstschnee hergestellt – nicht nur in Ruhpolding, sondern auch im benachbarten Reit im Winkl, Unken und Hochfilzen in Österreich. Dieser Schnee wurde per Lkw in die Chiemgau-Arena transportiert. „Seit dem 26. Dezember waren die Lastwagen unterwegs. Fast jede Nacht“, berichtet Schweiger.

Kunstschnee gehört mittlerweile ebenso zum Wintersport wie Kleinkalibergewehre zum Biathlon. Und genauso wie riesige Schneedepots. „2004 haben wir mit Snowfarming begonnen“, erklärt Schweiger. Dabei wird Schnee über den Sommer gelagert. In Ruhpolding gibt es dafür eigens ein Depot, in das 15 000 Kubikmeter Schnee passen. Eigentlich genug, denn für die Strecke sind 10 000 Kubikmeter notwendig – ein Kubikmeter Schnee entspricht übrigens einer Fläche von etwa 1,7 Metern mal 1,7 Metern bei einer Schneehöhe von 30 Zentimetern. Das Problem mit dem Depot: Es war nach dem letzten Winter nicht voll.

Schneeerzeuger kostet zwischen 30 000 und 35 000 Euro

Zwei Schneekanonen produzieren den Schnee für die Halle. Doch die haben nicht genug geliefert. „Da müssen wir noch nachbessern“, sagt Schweiger. Die Tage und vor allem die Nächte, in denen es so kalt ist, dass Kunstschnee produziert werden kann, halten sich in Grenzen. Je kälter, desto besser. Unter null muss das Thermometer aber mindestens anzeigen. Ein, zwei Kanonen könnten die Lage entschärfen. Ein solcher Schneeerzeuger kostet zwischen 30 000 und 35 000 Euro. „Wir haben zehn Stück und in diesem Winter noch acht angemietet“, erklärt Schweiger. Denn neben dem Depot muss auch die Strecke künstlich beschneit werden. Es ist viel Mühe für ein bisschen Winter. Auch finanziell.

Welche Kosten bei der Schneeproduktion entstehen, will niemand so genau verraten. „Beschneiung ist Standard für einen Stützpunkt wie den unseren“, meint Schweiger, und so pauschal könne man das nicht zusammenrechnen. Doch Wasser, Strom, Wartung – das kostet. Sechsstellige Summen sind da wohl schnell erreicht. Dem Bund, dem Land Bayern und vor allem der Gemeinde Ruhpolding sind die Investitionen dennoch einiges wert. Genauso wie dem Deutschen Skiverband. Der DSV investierte kürzlich knapp eine Million Euro in Schneeerzeuger, die bei Plusgraden funktionieren. Für den Weltcup Oberhof kamen sie jedoch zu spät.

Warmer Winter hinterlässt Spuren

Auch in Ruhpolding hat der zu warme Winter seine Spuren hinterlassen, die selbst der Neuschnee nicht kaschieren kann. So ist die Schneedecke rund 20 Zentimeter dünner als sonst, weshalb es während der Trainings auch mal zu Sperrungen kritischer Abschnitte kommen kann. Und selbst dem traditionellen Klassiker am Mittwoch ging’s an den Kragen. Für die Vier-Kilometer-Runde reichte der (Kunst-)Schnee nicht. Deshalb liefen die Athleten statt 5 x 4 Kilometer 6 x 3,3 Kilometer. Die größte Umstellung: Das erste Schießen gab es nach 6,6 und nicht wie sonst nach vier Kilometern.

Dass es sich irgendwann gar nicht mehr rechnet, einen Weltcup auszurichten, glaubt Schweiger nicht. „Natürlich gibt es langfristig betrachtet eine Erwärmung, aber so warme Winter wie in diesem Jahr sind die Ausnahme“, sagt er. Das Wichtigste: Die Saison muss geplant sein. „Wahrscheinlich fangen wir in dieser Woche schon mit der Kunstschneeproduktion für 2017 an“, erklärt er, „die Wetterprognosen sind gut.“ Engelbert Schweiger freut’s, denn „endlich, endlich ist der Winter da“. Der echte.