Urteile am Fließband: 88 EnBW-Mitarbeiter verlieren vor Gericht den Streit um die Höhe der Betriebsrenten. Foto: 55823936

Lange Gesichter bei den Urteilsverkündungen im Landesarbeitsgericht: Im Streit um die Höhe der Betriebsrenten siegt die EnBW. Die Kehrtwende brachte eine neue Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Stuttgart - Für den Karlsruher Energiekonzern EnBW ist es ein voller Erfolg, für die 88 Mitarbeiter, die seit Jahren mit dem Unternehmen über die Höhe der Betriebsrenten stritten, ist es eine bittere Niederlage. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat am Freitag in allen Verfahren die Klage abgewiesen.

„Wir gehen davon aus, dass nun eine klare Situation bei EnBW geschaffen worden ist“, sagte Ulrich Hensinger, Vorsitzender Richter und Pressesprecher am Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg unserer Zeitung. Das Landesarbeitsgericht hat in allen Fällen keine Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.Die Frage, ob bei EnBW die alte und bessere Betriebsvereinbarung im Zuge des Sparprogramms Topfit durch eine schlechtere abgelöst werden darf, ist damit „ein für alle Mal geklärt“, sagte Hensinger.

Der Streit zog sich jahrelang hin

Der Streit über die Höhe der Betriebsrenten zog sich über viele Jahre hin. Im wesentlichen ging es um eine Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2004, die für viele EnBW-Mitarbeiter eine Schlechterstellung bei den Ansprüchen zur Betriebsrente nach sich zog. Die EnBW hatte 2002 ein Sparprogramm aufgelegt, das auch Einsparungen bei Betriebsrenten vorsah und schließlich zu der umstrittenen Betriebsvereinbarung führte, die frühere Vereinbarungen aus besseren Zeiten ablöste. Die Kläger wollten, dass sich ihre Betriebsrenten nach den älteren Vereinbarungen richten, die überwiegend noch aus Zeiten der Vorgängerunternehmen EVS, TWS und NWS stammten.

Im ersten Anlauf hatten mehrere Arbeitsgerichte 2011 den Klägern recht gegeben, auch das Landesarbeitsgericht als zweite Instanz urteilte 2013 zu Gunsten der Kläger. Das Bundesarbeitsgericht wiederum hob in mehreren Urteilen im Dezember 2014 und Juni 2015 die Entscheidungen auf und verwies die Verfahren zur neuen Verhandlung an das Landarbeitsgericht zurück.

Begründung: Die Anforderungen für den Nachweis der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens seien zu hoch. Es komme zudem entscheidend darauf an, ob die Eingriffe in die betriebliche Altersversorgung nicht unverhältnismäßig gewesen seien. Damit hatte das Bundesarbeitsgericht eine Kehrtwende in der Rechtsprechung vollzogen.

Nichtzulassungsbeschwerde möglich

Diese Rechtsgrundsätze musste das Landesarbeitsgericht in seinen Urteilen nun anwenden.

Das Urteil war mit Spannung erwartet worden. Nicht nur von den 88 Klägern, die überwiegend noch im EnBW-Konzern beschäftigt sind, ihrem Anwalt und den EnBW-Vertretern. Auch von anderen EnBW-Mitarbeitern. Die Auswirkungen des Urteils werden knapp 4000 Leute betreffen. Die Grundsatzverfahren hätten große Auswirkungen auf den Konzern gehabt, wenn er die Kürzungen hätte zurücknehmen müssen. „Da ging es um 300 Millionen Euro für die EnBW“, sagte der Sprecher des Landesarbeitsgerichts.

Am Donnerstag und Freitag haben sieben Kammern die Verfahren im Takt verhandelt. „Die Fälle waren schwierig und haben uns Kopfzerbrechen gemacht“, räumte Hensinger ein. Das Gericht habe tief in die Bilanzen einsteigen müssen. Jedes der 88 Verfahren füllt im Schnitt 1000 Seiten. Das habe das Gericht im vergangenen halben Jahr logistisch-technisch und organisatorisch an die Grenze gebracht.

Die Kläger können nun noch Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Darüber würde dann das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Frühjahr entscheiden. Streitfälle wegen Betriebsrenten landen immer häufiger vor Gericht. Auch in Stuttgart haben noch viele Unternehmen Verfahren wegen Betriebsrenten laufen, sagte Hensinger. Es seien auch noch Verfahren beim BAG anhängig.