Soll mit den frei werdenden Mittel aus dem Betreuungsgeld der Kita-Ausbau beschleunigt werden? Familienministerin Schwesig will das. Foto: dpa

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes zum Betreuungsgeld geht es um eine Grundsatzfrage: Fließt das freie Geld zurück in den Haushaltstopf oder bleibt es im Sozialbereich?

Berlin - Die Sache klingt eigentlich gar nicht so aufregend. Mittel werden frei, weil das Betreuungsgeld von den Karlsruher Richtern für verfassungswidrig erklärt worden war. Da ist es nicht erstaunlich, wenn gestern im Bundesfinanzministerium die Überlegung laut wurde, die frei werdenden Gelder einfach mal zu kassieren – vornehmer ausgedrückt: dem allgemeinen Haushalt zuzuführen.

Aber der flüchtige Blick täuscht. Die Sache ist ziemlich brisant. Weniger, weil die Sache selbst so spannend wäre. Aber es geht um strategische Überlegungen der Parteien. Betreuungsgeld, Kita-Ausbau, Familienpolitik überhaupt – das ist Wahlkampfstoff. Die SPD hat nicht eben viele Themen, mit denen sie gegenüber der Union punkten kann. Doch mit ihrer Ablehnung des Betreuungsgeldes und ihrem Akzent auf einen raschen Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen trifft sie einen Nerv und spricht besonders städtische Wählermilieus an. Gerade erst hat eine Studie des Ifo-Instituts gezeigt, dass 57 Prozent der befragten Bürger das Betreuungsgeld ablehnen.

Da ist es nicht verwunderlich, dass Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) gestern ihre Position verschärfte: Es sei „wichtig, dass das Geld nicht im Haushalt eingespart oder für andere Zwecke ausgegeben wird“, sagte sie. Es müsse weiterhin den Familien zugutekommen. Und der größte Bedarf liege eben beim Ausbau und der Qualität der angebotenen Kita-Plätze. Und prompt wandelte sie das auch in eine Spitze gegen die politische Konkurrenz um. Die Union müsse sich dazu bekennen, „dass das Geld auch in Zukunft für Familien ausgegeben wird“.

Bundes-CDU auf dem falschen Fuß erwischt

Tatsächlich erwischt das die Bundes-CDU auf dem falschen Fuß, denn genau dieses Bekenntnis ist dort nicht uneingeschränkt zu bekommen – nicht mal vom familienpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, Markus Weinberg.

Der spricht von einer „Debatte zur Unzeit“. Die Begründung ist schwer von der Hand zu weisen: Wegen des Vertrauensschutzes für diejenigen, die bereits Betreuungsgeld beziehen, fließen 2015 noch gar keine Mittel zurück und 2016 nur sehr wenige. Weinberg weist darauf hin, dass angesichts der Flüchtlingsproblematik „eine Vielzahl an Aufgaben“ auf den Bund zukämen. In der verstärkten Integration von Kindern aus Krisen- und Kriegsgebieten sehe die Union „einen Schwerpunkt der nächsten Jahre“. Das ist auch ziemlich genau die Argumentation, die im Bundesfinanzministerium dominiert. Wolfgang Schäubles Parlamentarischer Staatssekretär Jens Spahn (CDU) weist auf „ungeplante Mehrausgaben“ beim Elterngeld und bei Hartz-IV-Leistungen hin. Dafür werde das Geld gebraucht.

Das ist die Sachebene. Aber weil sich die Union ungern als familienfeindlich vorführen lässt, zögert das Haus noch. Eine Sprecherin Schäubles sagte gestern, es sei noch keine Entscheidung gefallen. Bis zum Herbst soll eine Lösung gefunden sein.

Schäuble kommt unter Druck

Das Zögern mag auch daran liegen, dass Schäuble von einigen Regionalverbänden der CDU Druck bekommt, darunter der Südwesten, den man in Sichtweite der strategisch sehr wichtigen Landtagswahlen im Frühjahr nicht verärgern will. Der badenwürttembergische Spitzenkandidat Guido Wolf hat sich festgelegt. Das Geld solle den Ländern zur Verfügung gestellt werden. „Verständlich“ nennt er den Ansatz des Bundesfinanzministers kühl. Mehr aber nicht. Das Geld soll er doch rausrücken.