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Ungenehmigte Aktion: Aktivisten besetzten Nordflügel - Polizei nimmt 50 Personen fest.

Stuttgart - Rund 50 Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 haben am Montagabend den Nordflügel des Hauptbahnhofs besetzt, um dessen angekündigten Abriss zu verhindern. Die Polizei, die von der Aktion überrascht wurde, beschränkte sich darauf, weitere Demonstranten vom Entern des Gebäudeteils abzuhalten.

Ein während der Aktion gefilmtes Video wurde auf Youtube eingestellt.

Angemeldet vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 war die wöchentliche Demonstration gegen den Bau des 4,1 Milliarden Euro teuren Tiefbahnhofs. Während der 36. Auflage der Protestdemonstration, an der nach Polizeiangaben 3000 Menschen teilnahmen, gab es am Montagabend zusätzlich eine ungenehmigte Aktion.

Die Stuttgarter Ska-Band Nu Sports hatte gerade im strömenden Regen die Kundgebung eröffnet, da kehrte Leben in den leer geräumten und mit Spanplatten verbarrikadierten Nordflügel des Hauptbahnhofs ein. An den Fenstern im zweiten Stock des ehemals von der Post genutzten Gebäudeteils zeigten sich Aktivisten der Initiative Parkschützer. Unter dem Jubel der Menge entrollten sie Spruchbänder, auf denen der vollständige Erhalt des denkmalgeschützten Hauptbahnhofs gefordert wurde.

"Wir halten den Nordflügel zumindest so lange besetzt, bis aktuelle Fakten und Zahlen zur Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm veröffentlicht sind", verkündete Matthias von Herrmann, Sprecher der Parkschützer. Die Gegner des Tiefbahnhofprojekts befürchten, dass milliardenschwere Kostensteigerungen bei der aktualisierten Berechnung der Neubautrasse geheim gehalten werden. Die Strecke, deren Realisierung mit dem Bau des neuen Stuttgarter Tiefbahnhofs verknüpft ist, soll 2,1 Milliarden Euro kosten. "Die Besetzung soll verhindern, dass mit dem Abriss irreparabler Schaden angerichtet wird", sagt von Herrmann.

Aus den Reihen der Parkschützer hatte sich zunächst rund ein Dutzend Projektgegner über eine unverschlossene Tür Zugang zum Nordflügel verschafft. Über Leitern und ein Vordach folgten den Besetzern später spontane Nachahmer, darunter auch der Stuttgarter SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch. Am Abend hielten sich rund 50 Tiefbahnhofgegner im Nordflügel auf.

Von der Aktion überrascht wurden Polizei und Bahn. Die Polizei zog von allen Revieren Beamte am Hauptbahnhof zusammen. Dann versuchten die Beamten, weitere Menschen am Fassadenklettern zu hindern. "Es ist ein Sicherheitsdienst beauftragt, der Besetzungen ausschließen soll", sagte Polizeisprecher Stefan Keilbach. Gegen die Besetzer bestehe der Verdacht des Hausfriedensbruchs.

Von 22.45 Uhr an räumte die Polizei den Nordflügel. Einsatzkräfte transportierten die 50 Aktivisten ab, "viele müssen wir raustragen", so Polizeisprecher Stefan Keilbach. Gegen drei Besetzer wurde Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt erstattet. Sie sollen Polizisten bespuckt und getreten haben. Diese Personen wurden vorübergehend festgenommen und sollen heute dem Haftrichter vorgeführt werden. Gegen alle Besetzer wird Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erhoben. "Das ist kein bürgerlicher Protest mehr, es haben sich Menschen strafbar gemacht", so Keilbach.