„Ich erinnere daran, was wir mit dem Stück wollen Foto: Leonie Schüler

Thomas Richhardt ist Dramaturg am Theaterhaus auf dem Pragsattel. Zusammen mit dem Intendanten und dem Geschäftsführer wählt er Stücke aus, die „von Belang und Interesse“ sind.

Feuerbach - Ich bin der Anwalt der Zuschauer“, sagt Thomas Richhardt über sein Berufsverständnis als Dramaturg. „Ich bin sowohl am Schreibtisch als auch im Zuschauerraum dafür da, mit den Augen des Publikums auf die Bühne zu schauen.“ Konkret bedeutet das zum einen, dass Richhardt daran beteiligt ist, die Schauspielstücke mit auszuwählen, die als Eigenproduktion auf die Bühne kommen. Hierbei lautet der Leitspruch des Hauses, Kunst für die Zuschauer zu machen – und nicht Kunst um der Kunst willen. „Wir versuchen, etwas zu kreieren, was einen Mehrwert hat für diejenigen, die hier herkommen und ihre Freizeit verbringen“, sagt der 43-Jährige. Zusammen mit dem Intendanten und dem Geschäftsführer wähle er Stücke aus, die „von Belang und Interesse“ seien. Ziel sei immer, aktuelle Themen aufzugreifen. „Wir wollen uns mit Dingen auseinandersetzen, die im Schwange sind. Wir sehen unsere Aufgabe weniger bei der Denkmalpflege von historischen Stoffen“, erklärt Richhardt.

Ein Beispiel ist das Stück „Frau Müller muss weg“, das vor zwei Jahren Premiere hatte. In Absprache mit dem Autoren wurde das Schulstück umgeschrieben und die Reform der Bildungspolitik ins Zentrum gerückt. Da die Themen immer am Puls der Zeit sein sollen, wird in der Schauspielabteilung eher kurzfristig geplant und nicht zwei Jahre im Voraus. „Genauso gehört es zu unserem Verständnis, dass wir Produktionen immer wieder aktualisieren“, sagt Richhardt. Ein Beispiel: Das Stück „Was heißt hier Liebe?“ wird seit 25 Jahren aufgeführt. Um auch heute noch Jugendliche anzusprechen, wurden nach und nach nicht nur die Kostüme verändert, sondern auch Handys in die Aufführung eingebaut.

Produktionen werden aktualisiert

Neben der Themenwahl gehört es auch zu Richhardts Aufgaben, von literarischen Vorlagen Bühnenfassungen zu schreiben. „Das entspricht dem englischen Verständnis des Dramaturgen, dort bedeutet es nämlich Autor, Bearbeiter für die Bühne.“

Bevor die Proben beginnen, beteiligt sich Richhardt daran, einen geeigneten Regisseur auszusuchen und die Schauspieler für die Rollen auszuwählen. Auch während der Proben ist der Dramaturg vor Ort und berät sowohl den Regisseur als auch die Schauspieler bei ihrem Tun. „Ich erinnere daran, was wir mit dem Stück wollen“, sagt der studierte Psychologe.

Neben der künstlerischen Arbeit kümmert sich Richhardt auch um das Einholen von Fördergeldern von Stiftungen oder über Wettbewerbe. Viel Budget hat das Theaterhaus nicht zur Verfügung: 75 Prozent des Geldtopfes müssen selbst erwirtschaftet werden, lediglich 25 Prozent kommen von Stadt und Land. „Wir müssen immer im Blick haben, dass wir die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, effektiv einsetzen“, so Richhardt. Der finanzielle Druck sei aber auch Ansporn, kreativ mit dem wenigen Geld umzugehen.

Tradition bewahren und gleichzeitig nach vorne schauen

Außerhalb des Tagesgeschäfts schaut Richhardt danach, wie sich das Theaterhaus langfristig aufstellen möchte. „Wie kann man einerseits die Tradition des Hauses bewahren und sich gleichzeitig fortentwickeln, damit man nicht stehenbleibt, dem Geist aber auch nicht untreu wird“, beschreibt der 43-Jährige seine programmatische Tätigkeit.

An anderen Häusern ist es teilweise üblich, dass die Dramaturgen den Kontakt zum Publikum suchen und zum Beispiel Matineen organisieren. Solche Zuschauerveranstaltungen gibt es am Theaterhaus im Einklang mit der Hausphilosophie ganz bewusst nicht, denn: „Wir versuchen, Theater zu machen, das nicht übersetzt werden muss, sondern das sich beim Genießen selbst erklärt. Man kann auch sagen: Unsere Stücke müssen nicht schmackhaft gemacht werden, sondern sie sollen selber schmecken.“