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Hart wie nie nehmen Merkel und Hollande den Kremlchef ins Gebet. Der sieht Naivität im Antiterrorkampf – und zieht einen düsteren Vergleich.

Berlin - Ein Schmunzeln huscht über Francois Hollandes Gesicht, als Angela Merkel und er gefragt werden, welchen Eindruck sie an diesem denkwürdigen Abend im Berliner Kanzleramt bei Wladimir Putin hinterlassen haben. „Man kann in einer solchen Unterredung sicherlich nicht sofort die Wirkungen sehen“, meinte die Kanzlerin: „Für uns ist erst einmal wichtig, dass wir unsere Haltung deutlich gemacht haben.“ Dies sei in eine „sehr harte Aussprache“ gemündet. So eine Aussage will schon etwas heißen bei einer Frau, die nach politisch blutigen Brüsseler EU-Gipfelnächten zur Griechenlandrettung oder zur Flüchtlingspolitik von „lebhaften“ oder „munteren“ Debatten berichtete.

Syrien steht im Zentrum des Abends

Am Morgen danach steht fest, dass der russische Präsident sich wohl noch nie so viel vorhalten lassen hat müssen wie im Gespräch über die Lage in Syrien, das dem sogenannten Normandieformat zur Ostukraine folgte, an dem auch Präsident Petro Poroschenko aus Kiew teilnahm und an dessen Ende ein Auftrag an die beteiligten Außenminister zur Ausarbeitung eines Fahrplans zum Frieden ergeht. Syrien jedoch, von wo die Menschen bestenfalls nach Europa fliehen können, steht im Zentrum des Abends mit Putin. „Wir haben ihm gesagt, was wir denken. Wir haben gesagt, wie berührt und wie entschlossen wir sind und welchen Druck wir ausüben wollen, damit wir einen Beginn einer Lösung finden“, hat Hollande kurz nach ein Uhr am Donnerstagmorgen berichtet. Ein Beobachter der Runde berichtet später, in diplomatischer Runde selten so eindeutige Worte gehört zu haben.

Hauptthema ist Aleppo

Hauptgegenstand der Gespräche ist die Situation in Aleppo. Nur wenige Stunden zuvor hat der Franzose im Elysée-Palast die Helferorganisation „Weißhelme“, eben für ihr Engagement in Syrien mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, zu Gast gehabt. Sichtlich aufgewühlt berichtet er in der Nacht von Gesprächen mit Ärzten, die ihre Krankenstationen unter die Erde verlagert haben und dennoch deren Zerstörung durch bunkerbrechende Bomben fürchten müssen. Er spricht von einem „echten Kriegsverbrechen“, bei Merkel klingt es wie das Vorlesen einer Klageschrift vor dem Weltstrafgerichtshof in Den Haag: „Ich will für mich sagen, dass ich für die Bundesrepublik Deutschland deutlich gemacht habe, dass wir klare völkerrechtliche Gegebenheiten haben, die auch Kriegsverbrechen definieren.“

Bis Samstag sollen die Waffen schweigen

Die deutsch-französische Achse, die mit einem Mandat des EU-Gipfels verhandelt und diesem am Donnerstagabend auch Bericht erstattet hat, nimmt aus dem Gespräch zumindest das Gefühl mit, dass Putin bereit sein könnte, die zuerst für acht, dann für elf Stunden angekündigte Feuerpause zu verlängern. So geschieht es dann im Tagesverlauf. Zumindest bis Samstag sollen die Waffen schweigen. Das könnte daran liegen, dass sich Merkel und Hollande in der Frage weiterer Sanktionen zwar nicht einig sind, diese aber doch „implizit“ angesprochen haben, wie es in Regierungskreisen heißt, neue Strafmaßnahmen für Putins Russlands quasi im Raum standen.

Nun hat der Kremlchef diese Anwürfe nicht nur still ertragen an der Seite seines Beraters Wladislaw Surkow, der auf der Sanktionsliste der EU steht und eigentlich gar nicht hätte nach Deutschland einreisen dürfen. Er kontert zum Beispiel damit, dass der Westen seit wenigen Tagen Mossul im Irak bombardiere. um dort die IS-Terroristen zu vertreiben. Diesen Vergleich der Kriegführung weist Hollande später entrüstet zurück. Verärgert muss ihn auch haben, dass Putin einem Diplomaten zufolge Merkel und Hollande Naivität bei der Terrorbekämpfung vorgeworfen hat: Er wisse, wie das gehe, habe das konsequent in Grozny betrieben. Das sei sein Vorbild für Aleppo. Die tschetschenische Stadt wurde in den Jahren nach 1999 weitgehend zerstört.