Der Berlinale-Kartenverkauf startet an diesem Montag in Berlin – die Berlinale beginnt am 11. Februar 2016. Foto: dpa

Sie dösen in Schlafsäcken vor dem Ticketschalter: Wenige Tage vor der Berlinale warten Filmfans in Berlin stundenlang auf erste Kinokarten, manchmal die ganze Nacht. Hat da etwa jemand „Verrückt!“ gesagt?

Berlin - Montagmorgen, gegen 06.30 Uhr in Berlin. Dieter Bergmann weiß, wie das jetzt läuft. Der 66-Jährige wartet in seinem Campingstuhl, legt die Beine hoch und kritzelt im Programmheft der Berlinale herum. Er mache das nun schon das zehnte Jahr, erzählt er. So verrückt, vor dem Verkaufsschalter zu übernachten, sei er nicht. Aber gute Kinokarten bekomme man nur, „wenn man früh aufsteht“.

Die Filmfestspiele lassen Berlin schon Tage vor der Eröffnung Kopf stehen. Das Festival beginnt an diesem Donnerstag mit dem neuen Film der US-Regiebrüder Ethan und Joel Coen „Hail, Caesar!“. In etwa eineinhalb Wochen sind mehr als 400 Filme zu sehen. Um die ersten Tickets zu ergattern, harren Fans zum Verkaufsstart stundenlang vor den Ticketschaltern in einem Shopping-Center am Potsdamer Platz aus.

Beim Warten Kontakte knüpfen

Ganz vorne haben hier einige ihre Gesichter noch in Schlafsäcken vergraben. Was macht man die ganze Nacht? „Sich unterhalten. Schlafen. Programm durchlesen“, sagt eine 31-Jährige, die nach eigenen Worten seit Mitternacht dort ist. Sie hat sich online mit Fremden verabredet, um gemeinsam zu warten. „Ich hab’ keinen bei mir im Freundeskreis, der das mitgemacht hätte.“

Dass man beim Warten Kontakte knüpft, heißt es öfter. Man könne auch online Karten kaufen, aber da seien die guten Tickets schnell weg, sagt die 31-Jährige. Auch am Montagmorgen werden einige der ersten Veranstaltungen im Internet schon nach Minuten ausverkauft sein. Man solle sich lieber gleich an den Ticketcountern anstellen, rät jemand online. „Da können Sie tolle Leute kennenlernen.“

Also zurück in die Schlange. Bettina John wollte eigentlich früher da sein. Egal, sie ist jetzt um 4.30 Uhr gekommen. Für die Berlinale habe sie sich zwei Wochen Urlaub genommen. Sei sei seit Jahrzehnten dabei. „Es kommen ein paar interessante Filme, die man vielleicht nicht im Kino sehen wird“, erklärt sie. Sie hofft vor allem auf ein Ticket für den neuen Coen-Film mit George Clooney. Insgesamt hätten sich aber weniger Stars als sonst angekündigt, findet sie.

Mit Clooney, Firth und anderen auch Hollywood-Präsenz

Clooney, Julianne Moore, Colin Firth, Kirsten Dunst und Tilda Swinton sollen zum Beispiel zur Berlinale kommen. Die mehrfache Oscar-Preisträgerin Meryl Streep ist ebenfalls an Bord, sie ist dieses Jahr Präsidentin der Jury. Nach Schätzung der Tourismusagentur Visit Berlin sind zum Festival rund 100 000 Menschen nur wegen der Berlinale in der Stadt. Hinzu kommen fast 20 000 Fachbesucher.

Berlinale fühle sich an „wie eine große Familie“, sagt John in der Warteschlange. Andreas Sabin findet, das Schöne am Filmfest sei die Atmosphäre. „Die Kinos sind brechend voll“, sagt er. Das gelte auch für Filme, die sonst nur wenig Zuschauer hätten oder gar nicht in die Kinos kämen. Er kommt seit 17 Jahren zum Vorverkauf. Sein Tipp: Eine Kanne Ingwertee mitnehmen und nicht so spät ins Bett gehen.

Einige Meter entfernt saugen zwei Mitarbeiter den roten Teppich. Stundenlang auf Kinokarten warten? „Ich würd’s nicht tun“, sagt die Mitarbeiterin. In Blickweite sitzen mehrere Menschen auf dem Teppich, lesen und tippen auf ihren Handys rum. „Das ist doof für uns jetze, weil wir müssen dort saugen“, meint ihr Kollege.

Gegen 9.30 Uhr setzt sich die Menge dann in Bewegung, es bilden sich meterlange Schlangen. Um 10.00 Uhr öffnen die Schalter. Wer leer ausgeht, hat einen Hoffnungsschimmer: Manche Karten sind erst drei oder vier Tage vor der jeweiligen Vorstellungen zu haben. Da lohnt es sich, erneut vorm Rechner zu warten - oder sich wieder anzustellen.