Qualitätssicherung im OP-Saal muss sein, aber Fachleute streiten über das Wie. Foto: dpa

Berlin macht strikte Vorgaben, aber das Land will sich beim Patientenschutz nicht reinreden lassen.

Stuttgart - Die Menschen in Baden-Württemberg sind mit den Krankenhäusern im Land ziemlich zufrieden. Das weiß man zum Beispiel aus Befragungen der Krankenkassen. Laut der jüngsten Studie der Techniker-Krankenkasse (TK) zeigen sich rund 80 Prozent der Patienten im Südwesten, die einen Klinikaufenthalt absolviert haben, mit der medizinisch-pflegerischen Versorgung und dem Behandlungsergebnis einverstanden. Die Werte liegen jeweils leicht über dem Bundesdurchschnitt – ein gutes Zeichen.

Allerdings: Über die tatsächliche Behandlungsqualität sagen die Zahlen herzlich wenig aus. Natürlich freut sich jeder über hilfsbereite Pflegekräfte, ansprechbare Mediziner und ordentliche Kost; doch all das verrät noch nichts darüber, ob die Klinik ihr Kerngeschäft beherrscht, sprich: ob sie nach den aktuellen Regeln der Kunst diagnostiziert und therapiert.

Dazu ein Beispiel. In gynäkologischen Fachabteilungen kommt es vor, dass Frauen Eierstöcke und Eileiter entfernt werden, obwohl sich hinterher im entfernten Gewebe keine krankhaften Veränderungen nachweisen lassen. Unter den möglichen Erklärungen sind zwei besonders naheliegend: Entweder wurde schlampig diagnostiziert, oder die Klinik wollte mit einem nicht indizierten Eingriff Kasse machen.

Fachabteilungen können geschlossen werden

Wie schafft man es aber, dass so etwas gar nicht oder wenigstens kaum mehr passiert? Das ist eine Frage der Qualitätskontrolle und -sicherung. Weil die scheidende Bundesregierung den Kliniken nicht zutraut, bestehende Probleme aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen, hat sie sich im vergangenen Jahr bei diesem Thema so weit aus dem Fenster gehängt wie keine Regierung zuvor. Per Gesetz beauftragte sie den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als höchstes Beschlussgremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, Qualitätsindikatoren für die Krankenhausplanung vorzulegen. Inzwischen hat der G-BA erste elf Indikatoren geliefert, für gynäkologische OPs, Geburtshilfe und Brustchirurgie – und das Ergebnis hat es in sich.

Bezogen auf das obige Beispiel bedeutet es: Kliniken, die Eierstöcke und Eileiter entfernen, dürfen im Rahmen der seit 2005 vorgeschriebenen Qualitätsberichterstattung an den G-BA nur in maximal zwei von zehn Fällen vermelden, dass der Eingriff gar nicht nötig gewesen wäre, weil es keinen pathologischen Befund gibt. Die Konsequenzen für die Fachabteilung, die den Referenzwert (≤ 20 Prozent) nicht einzuhalten vermag, können drastisch sein. Das für die Klinikplanung zuständige Bundesland, in dem sich die Klinik befindet, ist nämlich rechtlich befugt, die Abteilung zu schließen. Ab September 2018 greift diese Regelung. Allerdings gilt: Die Länder müssen der Meldung des G-BA, dass eine Klinik den Indikator reißt, keine Konsequenzen folgen lassen. Sie können die Regelung insgesamt ignorieren.

Regina Klakow-Franck, unparteiisches Mitglied im G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses für Qualitätssicherung, hat die Regelung jetzt bei einem Expertengespräch auf Einladung der TK in Stuttgart erläutert. „Bisherige Verfahren der Qualitätssicherung haben viel geleistet, aber sie werden heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht“, sagte sie. Zum einen seien sie zu langsam, um Missstände schnell zu beheben; zum anderen zeichneten sie ein Bild, in dem alle Kliniken mehr oder weniger „gleich gut“ wegkommen.

Auch Bayern will sich Vorgaben nicht beugen

Widerspruch kam von Matthias Einwag, Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG). Er verwies auf die bisherigen Anstrengungen der Kliniken im Land in Sachen Qualitätssicherung, die bundesweit beispiellos seien. Schon heute lieferten die Häuser jährlich rund 500 000 Datensätze an die Geschäftsstelle Qualitätssicherung im Krankenhaus (GQiK) bei der BWKG. Nach eingehender Prüfung blieben am Ende nur 150 qualitative Auffälligkeiten. Darüber spreche man mit den Kliniken im Rahmen des sogenannten strukturierten Dialogs. In diesem Verfahren müssen die Kliniken darlegen, wie sie die Probleme in den Griff bekommen wollen. Ob ihnen dies gelingt, wird laufend überprüft. Schafft eine Klinik es auf Dauer nicht, die Qualitätsvorgaben einzuhalten, wird ihr untersagt, den betreffenden Eingriff weiter vorzunehmen. Laut BWKG kommt das jährlich etwa ein- bis zweimal vor.

Die entscheidende Frage lautet nun: Wie halten es die Bundesländer mit den Qualitätsindikatoren für die Krankenhausplanung. Laut Klakow-Franck hat Bayern bereits signalisiert, dass es auf dieses Instrument verzichten möchte. Hamburg dagegen sei dabei.

Auch Baden-Württemberg will sich dem Qualitätssicherungsprogramm aus Berlin nicht anschließen. Die vom Bund definierten Qualitätsvorgaben könnten dazu führen, „dass einzelne Fachabteilungen, die für die Gesundheitsversorgung relevant sind, geschlossen werden müssen“, sagte ein Sprecher des Stuttgarter Sozialministeriums unserer Zeitung. Das sei „deshalb kritisch, da sowohl die Relevanz und Rechtssicherheit der angewendeten Qualitätsindikatoren für die Krankenhausplanung als auch das Verfahren bislang sehr umstritten und nicht geklärt sind“. Das Ministerium könne „Experimente im Bereich der stationären Versorgung der Bevölkerung nicht verantworten“. Man werde daher „über die Aufnahme von weiteren Qualitätskriterien in den Landeskrankenhausplan in Abstimmung mit dem Landeskrankenhausschuss eigenständig entscheiden“.

Mit anderen Worten: Das Land will sich nicht reinreden lassen. Für Patienten, die sich vor einer planbaren OP darüber informieren möchten, in welche Klinik sie besser nicht gehen sollten, gibt es trotzdem eine gute Nachricht: Der G-BA wird auf seiner Homepage jedes Krankenhaus veröffentlichen, das Referenzwerte in Sachen Qualität nicht schafft.