Meral und Ali Nemez betreiben seit 1998 das Berger Lädle in der Karl-Schurz-Straße 23. Foto: Nina Ayerle

Ali und Meral Nemez führen seit 16 Jahren das „Berger Lädle“. und kämpfen täglich ums Überleben. Dennoch sind die beiden Einzelhändler eine Instiution im Stadtteil, jeder kennt sie, jeder mag sie.

S-Ost - Zur frühen Mittagszeit ist der Stadtteil Berg wie ausgestorben. Doch auch zu anderen Tageszeiten gehört der kleine Stadtteil im Stuttgarter Osten nicht zu den belebtesten Gebieten der Landeshauptstadt. Eher beschaulich geht es dort zu; Passanten sind Anwohner, allenfalls noch Besucher der Mineralbäder. „Isch wie ein Dorf hier“, sagt Ali Nemez. Seit 16 Jahren führt er mit seiner Ehefrau Meral das Berger Lädle in der Karl-Schurz-Straße 23. Neben einem Bäcker und einem Metzger ist es das einzige Geschäft im Stadtteil – und dennoch kämpft Ali jeden Tag damit, sich und seine Familie mit den drei Kindern durchzubringen.

Jeder ist im Berger Lädle ein bisschen zu Hause

Dabei ist sein rund 40 Quadratmeter großer Laden ein beliebter Treffpunkt im Viertel. Nicht nur um Obst und Gemüse einzukaufen kommen die Leute zu Ali und Meral, sondern auch um ein Schwätzchen zu halten. Während Ali kassiert, hat er für jeden Passanten noch ein freundliches Wort übrig. Mit fast allen ist er per Du. „Die Melone trägsch besser so“, empfiehlt er einer Kundin beim Hinausgehen und wünscht ihr „einen korrekten Tag“. Ein Jugendlicher nimmt sich nebenbei zwei Brotlaibe aus dem Regal und legt das Geld auf den Tresen. Das darf man bei Ali und Meral Nemez.

Seit vier Uhr morgens ist er auf den Beinen. Fast jeden Tag steht er so früh auf, fährt zum Großmarkt und holt frisches Obst und Gemüse. Die langen Tage strengen ihn an, sagt er. „Wir haben mehr Aufwand mit dem Geschäft als Ertrag am Ende“, sagt Ali. Aber sie könnten davon leben, fügt der 46-jährige gebürtige Türke hinzu.

Mit zwölf Jahren ist Ali Nemez nach Deutschland gekommen. Sein Vater war bereits in Stuttgart, holte die Familie nach. In dem kleinen Ort nahe der syrischen Grenze gab es keine Arbeit, der Vater gehörte zur ersten Generation der Gastarbeiter, die geblieben sind. Ali hat sich eingelebt in Stuttgart. In den jährlichen Türkeiurlauben lernte er seine Frau Meral kennen und brachte sie mit nach Deutschland. „Ich hatte sie gleich im Visier“, sagt Ali und lacht. Überhaupt lacht Ali eigentlich immer. Die Existenzangst merkt man ihm nach außen hin nicht an. Er liebt sein Geschäft, den Trubel und den Kontakt zu den Menschen. „Des isch der Treffpunkt von Berg“, sagt er in perfektem Schwäbisch.

Einmal musste das Geschäft bereits schließen

Eine kleine Pause braucht er zwischendurch trotzdem immer mal wieder. „Komm wir rauchen“, sagt er und setzt sich draußen auf die Ladefläche seines grünen Lieferbusses und fängt an zu erzählen. Seit 1998 haben er und seine Frau den Laden. Zehn Jahre später mussten sie schließen. Für sieben Monate gab es kein Berger Lädle mehr. Die Frauenklinik Berg und das Schwesternwohnheim gegenüber hatten geschlossen, das Geschäft lief nicht mehr. Ali wurde krank und seine Frau wollte einfach nicht mehr. „Aber man hat uns zurückgeholt“, sagt Meral Nemez, als sie dazu kommt. Während sich ihr Mann wieder um die Kunden kümmert, fängt sie an zu erzählen. Während der Laden geschlossen war, riefen unzählige Nachbarn und Kunden an. Sie alle wollten das türkische Ehepaar und das Berger Lädle zurück. Irgendwann ließen sich die beiden überreden, kamen zurück.

Meral Nemez macht der Laden aber immer noch zu schaffen. Sie brauche mehr Zeit für den Haushalt und ihre Kinder. „Das muss ich am Abend alles noch machen“, sagt sie. Ob das Ehepaar irgendwann daran gedacht hatte, wieder aufzuhören? „Oh ich jeden Tag“, sagt Meral und lacht dabei. Glücklich geworden sei sie in Deutschland nicht. Sie vermisse ihre Familie, den Vater und die sieben Geschwister. „Ich habe niemanden hier von meiner Familie“, sagt sie.

Dennoch habe sie viele Dinge zu schätzen gelernt in Deutschland, wie zum Beispiel das disziplinierte System und das Gesundheitswesen und natürlich ihre Heimat Berg. Jeder kenne jeden, sagt sie. „Das ist schön und ein bisschen Ersatz für die Familie.“ Und wer soll sonst auch der ganzen Nachbarschaft Lebensmittel nach Hause bringen? „Und wir haben mehr im Sortiment als jeder Supermarkt“, betont Nemez.