Mit interaktiver Grafik - Wird das Öl bald knapp? Die noch vor wenigen Jahren oft gestellte Frage wirkt heute ziemlich antiquiert. Weil die USA zum neuen Rohstoffgiganten aufsteigen und die Opec zerstritten ist, ist Öl in Hülle und Fülle vorhanden.

Stuttgart –  Wie entwickelt sich der Ölpreis über längere Zeiträume?
Über Jahrzehnte betrachtet wird Öl immer teurer. Das gilt insbesondere, wenn man inflationäre Tendenzen herausrechnet. Wie stark die Preise gestiegen sind, zeigt sich etwa daran, dass ein Ölpreis von rund 12 US-Dollar (9,60 Euro) je Fass (159 Liter) die Weltwirtschaft 1974 in eine Jahre dauernde Krise stürzte. Zwischen Mitte der 1980er und Mitte der 1990er Jahre pendelte der Ölpreis beharrlich um die 20 Dollar (16 Euro) je Fass. Für heutige Verhältnisse ist das ein lächerlich niedriges Niveau. Zum Vergleich: Mitte 2008 erreichte der Preis der wichtigsten Sorten Brent und WTI über 140 Dollar (112 Euro), brach danach aber extrem ein und erholte sich nur langsam wieder. Derzeit ist der Preis wieder rasant auf Talfahrt.
 
Benzinpreise in Deutschland | Create Infographics
Wie sieht die Lage im Welt-Ölmarkt grade aus?
Öl ist derzeit so reichlich vorhanden wie lange nicht mehr. Die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) schreiben dazu: „Der Markt ist üppig versorgt, die Nachfrage nach Rohöl wächst nur moderat, und die Nachfrage nach Opec-Öl sinkt sogar – dank der rasant wachsenden unkonventionellen Förderung in den USA.“ Es gibt also ein Überangebot. Dieses ist vor allem von den USA verursacht, die sich dank neuer Fracking-Methoden zusehends zum Selbstversorger in Sachen Gas und Öl entwickeln. Nach Daten des Hamburger Energie-Informationsdienstes (EID) bezog das Land im Jahr 2000 rund 61 Prozent seines Ölbedarfs vom Weltmarkt. Gegenwärtig sind es nur noch 50 Prozent. Die frei werdenden Mengen vagabundieren auf den Weltmärkten und senken dort die Preise. Exporte von US-Rohöl sind seit den 1970er Jahren sowieso verboten. Kurz: Allein zwischen Juni und November ist Rohöl der Nordseesorte Brent nach Daten des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut um 28 Prozent billiger geworden.
Verbraucht die Welt weniger Öl?
Immer noch wird weltweit jedes Jahr mehr Öl verbraucht. Allerdings sinken die Zuwachsraten. Zuletzt hat die Internationale Energieagentur ihre Prognosen gesenkt. Aktuell verbraucht die Welt rund 92 Millionen Fass Öl pro Tag. Das mächtige Opec-Kartell tut nichts, die Mengen einzuschränken – ein außergewöhnlicher Vorgang. In der Vergangenheit übernahm regelmäßig Saudi-Arabien – das mächtigste Opec-Mitglied – die Rolle des Regulators. Über ihre legendäre „Swing Capacity“ schränkte die Öl-Monarchie die Förderung ein oder drehte den Ölhahn auf. Aufgrund ihrer riesigen Öl-Infrastruktur kann das Land mehrere Millionen Barrel zusätzlich auf den Markt werfen oder blockieren. Derzeit zieren sich die Saudis aber. „Saudi-Arabien reduziert die Angebotsmengen gerade nicht so stark wie erwartet“, sagt LBBW-Analyst Frank Klumpp. Damit übten die Scheichs Druck innerhalb der OPEC aus – auch andere Kartellmitglieder sollen weniger Öl liefern und damit Öl-Dollar verlieren. Eine andere Lesart sagt, dass die Saudis die Preise bewusst in den Keller rasseln lassen, um die Produktion in anderen Erzeugerländern unrentabel zu machen. Nach einer Phase niedriger Preise hätten sie so Konkurrenten los und könnten die Preisschraube wieder anziehen. Derzeit produzieren aber auch die USA Öl wie die Weltmeister. Mit mehr als neun Millionen Barrel fördert das Land so viel wie seit 1983 nicht mehr. Ähnlich sieht es in Russland aus, das dringend auf die Öl- und Gaseinnahmen angewiesen ist.
Werden Benzin und Diesel immer billiger, wenn Rohöl billiger wird?
Nein, denn es existieren getrennte Märkte für Rohöl und für Ölprodukte wie Benzin, Diesel, Kerosin oder Heizöl. Die Einflussfaktoren auf die Preise sind nicht immer dieselben. Der wichtigste Unterschied ist der Währungseffekt. Rohöl wird in Dollar gehandelt, an der Zapfsäule bezahlen wir aber in Euro. Wird der Euro schwächer, was derzeit der Fall ist, wirkt sich das auf die Benzinpreis hierzulande preistreibend aus. In der Vergangenheit ist es immer wieder vorgekommen, dass für bestimmte Ölprodukte zu wenige Raffinerien vorhanden waren. Die Folge: Für diese Produkte gingen die Preise in die Höhe. Derzeit ist das nicht der Fall. Speziell in Europa gibt es, anders als etwa in Asien, zu viele Raffinerien.
Wie sieht es mit Heizöl aus?
Für Heizöl gelten bei der Preisfindung dieselben Mechanismen wie für Otto-Kraftstoffe und Diesel. „Im Moment gibt es keine Anzeichen, dass Tanken teurer wird“, sagt Steffen Bock, Geschäftsführer des Verbraucherportals Clever-tanken.de. Ähnlich sieht es Frank Klumpp von der LBBW. Nach Daten des Heizöl-Spezialisten Tecson kostet Heizöl bei einer Abnahmemenge von 3000 Litern im Bundesdurchschnitt derzeit knapp 72 Euro pro 100 Liter. Sollte sich die Opec auf ihrer nächsten Sitzung nicht zu einer Reduzierung der Liefermengen durchringen, was wahrscheinlich ist, könnten die Heizölpreise weiter nachgeben. Für diesen Fall gelte es mit dem Heizöl-Kauf „abzuwarten“, schreiben die Tecson-Experten. Sicher ist aber auch das nicht.