Angela Merkel und Martin Schulz wollen die Türkei-Verhandlungen in der EU beenden – und stehen damit ziemlich alleine da. Foto: Getty Images Europe

Deutschland steht mit seinen Forderungen nach einem Abbruch der Türkei-Verhandlungen in der EU nahezu alleine dar. Ankara wirft Berlin nun vor, die EU für die deutsche Politik einzuspannen.

Tallinn - Der türkische Europaminister Ömer Celik hat der Bundesregierung vorgeworfen, die EU im Streit mit seinem Land zu instrumentalisieren. Diejenigen, die jetzt einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei forderten, versuchten, „die EU zu benutzen, um bilaterale Probleme zu lösen“, sagte Celik am Freitag. Dies werde deren Image beschädigen.

Celik warnte zudem andere EU-Staaten, den von Deutschland und Österreich ausgehenden Forderungen zu folgen. „Das ist keine Kinderspielerei“, sagte er. „Eine EU, die die Beitrittsverhandlungen aussetzt oder beendet, wird zu einer Gemeinschaft, die die Verhandlungsfähigkeit verloren hat.“

Celik äußerte sich am Rande eine Treffens mit EU-Außenministern in Tallinn zu dem Thema. Bei ihm wurde am Freitag noch einmal deutlich, dass die deutschen Forderungen nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei trotz der anhaltenden Inhaftierung von Menschenrechtlern und Journalisten auf Ablehnung stoßen.

„Wir sollten die Türkei nicht verstoßen. Sie ist für uns ein strategisch wichtiges Land“, sagte der britische Außenminister Boris Johnson. Ähnlich äußerten sich Ungarns Außenminister Peter Szijjarto und sein irischer Kollege Simon Coveney.

Kehrtwende bei Angela Merkel

Die Debatte über einen möglichen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei war zuvor durch eine überraschende Kehrtwende der Bundesregierung neu entfacht worden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Sonntag im Wahlkampf-Duell mit ihrem Herausforderer Martin Schulz (SPD) angekündigt, beim nächsten EU-Gipfeltreffen darüber beraten zu wollen. Schulz hatte sich zuvor klar für einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen ausgesprochen. Ein solcher Schritt setzt allerdings eine einstimmige Entscheidung der Mitgliedstaaten voraus.

Der irische Außenminister Coveney sagte: „Es ist wichtig für die EU, nah an der Türkei zu bleiben und den Dialog fortzusetzen.“ Aus seiner Sicht solle dem Land die EU-Beitrittsperspektive nicht genommen werden.

Der ungarische Außenminister Szijjarto verwies auf das Abkommen mit der Türkei zur Eindämmung des Flüchtlingszustroms nach Europa und auf die ökonomische Stärke der Türkei. „Die Türkei ist ein Land mit einer schnell wachsenden Wirtschaft. (....) Es ist für uns von zentralem Interesse, dass wir mit der Türkei irgendeine Art von strategischer Partnerschaft eingehen“, sagte er.

Celik wiederholte zudem Forderungen, die brachliegenden EU-Beitrittsverhandlungen nicht nur fortzuführen, sondern sogar auszuweiten. Sein Land sei in diesem Rahmen auch bereit, über Themen wie die Grundrechte und die Unabhängigkeit der Justiz zu reden, sagte er.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel nahm am Freitag nicht mehr an dem zweitägigen EU-Treffen in Tallinn teil. Er hatte sich bis vor kurzem auch gegen einen Abbruch der seit 2005 laufenden Beitrittsverhandlungen ausgesprochen.