Mit gequältem Lächeln gratuliert Alexander Ludwig (rechts), beobachtet von OB Roland Klenk (Mitte), seinem Nachfolger Carl-Gustav Kalbfell zum Sieg. Foto: Günter E. Bergmann

Die Mehrheit aus CDU, Freien Wählern und LE-Bürger/FDP gibt einem Juristen mit FDP-Parteibuch den Vorzug vor dem amtierenden grünen Sozialbürgermeister.

Leinfelden-Echterdingen - Vor einigen Wochen hätte sich der langgediente Stadtrat Wolfgang Haug noch nicht träumen lassen, dass der 19. Mai 2015 als ein Höhepunkt in seiner nun schon 44 Jahre währenden kommunalpolitischen Karriere eingehen würde. Das ist aber nun eingetreten. Erstmals in der Geschichte der Stadt Leinfelden-Echterdingen ist mit Carl-Gustav Kalbfell am Dienstagabend ein Kandidat mit FDP-Parteibuch zum Bürgermeister gewählt worden (wir berichteten). Der Neue übernimmt – voraussichtlich nach der Sommerpause – die Leitung des seit 2007 von Alexander Ludwig geleiteten Dezernats.

Je näher der Termin der Wahl des Beigeordneten für die Bereiche Kultur, Bildung, Vereine, Soziales, Bürgerengagement, Sicherheit sowie das Bürger- und Ordnungsamt rückte, desto wahrscheinlicher wurde es aus Sicht des liberalen Urgesteins Haug, dass einer seiner Parteifreunde in die dreiköpfige Führungsriege des Rathauses eintreten kann. Das Kunststück ist gelungen – und das zunächst ohne aktives Zutun der hiesigen FDP: „Wir haben nicht ihn gesucht, sondern er hat uns gefunden“, sagte Haug am Tag nach der Wahl, die dem Reutlinger bereits im ersten Durchgang die überraschend deutliche Mehrheit beschert hatte.

Ausgang war kaum vorauszusagen

Bis zuletzt war der Ausgang kaum vorauszusagen. Nicht alle Gruppierungen ließen sich vorher öffentlich eine Präferenz entlocken. Seit Monaten war es aber offensichtlich, dass es für Amtsinhaber Alexander Ludwig eng werden würde. Nach dem Jahreswechsel hatte die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Ilona Koch den grünen Bürgermeister kategorisch für „unwählbar“ erklärt – und sich auf die Suche nach einem Bewerber und einer Mehrheit für einen Wechsel begeben.

Koch wurde zwar fündig, konnte ihren persönlichen Favoriten aber nicht einmal in ihrer eigenen Fraktion durchsetzen. Statt seiner stiegen in den Vorstellungsrunden bei den Fraktionen die Aktien des Regierungsdirektors Carl-Gustav Kalbfell. Der promovierte Jurist, zurzeit stellvertretender Leiter des Referats für Menschen mit Behinderung im baden-württembergischen Sozialministerium, hatte aus Sicht der Christdemokraten nur einen Makel: das falsche Parteibuch.

Abschied vom Vorschlagsrecht

Insbesondere bei der CDU war aber schließlich der Wille, einen Wechsel im Dezernat für Soziales herbeizuführen, so ausgeprägt, dass sie sogar das von ihr reklamierte, aber nicht unumstrittene Vorschlagsrecht für einen Kandidaten hintangestellt hat.

Bei der Mehrheitsbeschaffung für Kalbfell lief es dann keineswegs so glatt wie es das Ergebnis nahelegt. Denn nur vier Mitglieder der sechsköpfigen Fraktion der Freien Wähler schlugen sich auf die Seite des Bewerbers aus Reutlingen. Zusammen mit den beiden Liberalen im Gemeinderat waren somit erst zwölf von 14 für einen Sieg benötigten Stimmen beisammen. Der 15:12-Ausgang der geheimen Wahl am Dienstag legt nun nahe, dass auch die beiden LE-Bürger sowie OB Roland Klenk ihr Kreuzchen bei Kalbfell gemacht haben.

Grün-Rot im Land und im Gemeinderat

In dem am Horizont bereits heraufziehenden Landtagswahlkampf, in dem Grün-Rot die Regierungsmehrheit zu verteidigen beabsichtigt, hatte sich auch im Gemeinderat eine – um die Piratin Claudia Moosmann ergänzte – grün-rote Koalition hinter dem Amtsinhaber versammelt. Und das, obwohl auch die SPD, vom Thema Gemeinschaftsschule mal abgesehen, bis dato selten ein gutes Haar an Ludwigs Arbeit ließ. Zu diesem Bund stießen dann noch die beiden Abweichler von den Freien Wählern.

Im Vorfeld der Wahl haben sich die Grünen zwar durchaus hörbar, aber nicht besonders vehement für ihren Bürgermeister eingesetzt. Sie sind zwar nun „nicht glücklich“ über den Ausgang, wie es Fraktionsvize Frank Mailänder ausdrückt, respektieren aber das „demokratische Ergebnis“. In die Schmollecke ziehen sie sich auch nicht zurück. Schon bei der Nachsitzung des Gemeinderats haben auch Grüne mit Wahlsieger Kalbfell auf die Zukunft angestoßen.