Beim gemeinsamen Spielen auf dem Göppinger Marktplatz sind „Barrieren“ von vorne herein kein Thema gewesen.“ Foto: Horst Rudel

Bei der Integration und Inklusion geht es in Göppingen in kleinen Schritten voran. Barrierefrei ist die Stadt aber noch nicht.

Göppingen - Wenn die Barrieren, die behinderten Menschen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren, so schnell beseitigt werden könnten wie beim Aktionstag des Göppinger Netzwerks „Alle dabei“, müsste es keine weitere derartige Veranstaltung mehr auf dem Marktplatz geben. Dort wurde eine symbolisch aufgebaute „Barrieren-Mauer“ im Nu zum Einsturz gebracht. Weil im wahren Leben jedoch immer alles länger dauert, wird das Bündnis, zu dem sich die Vereine, Institutionen und Träger der Behindertenhilfe und der Behindertenselbsthilfe im Stauferkreis zusammengeschlossen haben, wohl auch beim nächsten Gleichstellungstag wieder öffentlich präsent sein.

In kleinen Schritten geht es voran

Dennoch geht es, darin sind sich die Betroffenen und die kommunalpolitisch Verantwortlichen einig, bei den Themen Integration und Inklusion in kleinen Schritten voran. „Wir sind in dieser Sache auf einem guten Weg, aber noch längst nicht am Ziel“, erklärt der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till. Ruth Nirschl-Weber, die Leiterin des Bildungszentrums der Lebenshilfe in Jebenhausen, will dem Rathauschef zwar nicht widersprechen, „weil es Städte gibt, in denen die Situation deutlich schlechter ist und die Verwaltungen nicht so aufgeschlossen“. Handlungsbedarf bestehe allerdings nach wie vor, ergänzt sie.

Die Türen im Bahnhof sind ein Problem

Dies hat auch ein dreitägiger Workshop gezeigt, der jüngst zur Vorbereitung des Aktionstags vom Netzwerk „Alle dabei“ durchgeführt worden ist. Mehr als zwei Dutzend Interessierte haben daran teilgenommen und eine ganze Reihe von Barrieren in der Hohenstaufenstadt ausgemacht. Thorsten Gams, der in einer Werkstatt der Lebenshilfe arbeitet, kennt etliche Stellen, „an die man nicht so gut hinkommt“. Am Bahnhof zum Beispiel seien die engen Türen ein Problem, die sich zudem nur schwer öffnen ließen. „Und auch manches Geschäft oder Restaurant hat noch Schwellen und Stufen, über die ein Rollstuhlfahrer nicht hinweg kommt“, sagt der 24-Jährige.

Manuel Güßmann, der im Jebenhausener Bildungszentrum nach einer psychischen Erkrankung eine berufliche Reha-Maßnahme absolviert, sieht die Bemühungen von städtischer Seite indes sehr positiv. „Da hat sich echt was getan, auch wenn es natürlich seine Zeit dauert“, betont er. Nachholbedarf gebe es aber dennoch. „Auch wenn ich das Gefühl habe, dass sich alle sehr bemühen“, ergänzt Güßmann.

Manche Schilder hängen zu hoch für Rollstuhlfahrer

Um diese Bemühungen zu unterstützen, haben die Workshop-Teilnehmer ein Fotobuch zusammengestellt, das auf dem Marktplatz an OB Till und den Kreissozialdezernenten Hans-Peter Gramlich überreicht wurde. In dem Katalog ist anschaulich dargestellt, wo in der Hohenstaufenstadt bereits Barrieren abgebaut worden sind, aber auch wo noch Handlungsbedarf besteht, wie eben am Bahnhof, am Busbahnhof, in der Stadtbibliothek, in der Neuen Mitte, an Fußgängerampeln oder bei der Beschilderung. So sind manche Hinweistafeln in einer Höhe angebracht, die aus der Perspektive von Rollstuhlfahrern schlecht oder gar nicht zu sehen sind.

Till versprach, das Fotobuch „ausführlich auszuwerten und das Gespräch auch mit anderen Institutionen zu suchen, um, wo immer es möglich ist, rasch Abhilfe zu schaffen“. Er sei froh, dass es die inhaltliche Unterstützung durch das Netzwerk gebe, das die Hand auf die Wunden lege. „Und ich bin überzeugt davon, dass sich der Fleiß und der Elan am Ende auszahlen werden“, fügte er hinzu.

Ein Kreisbeauftragter für Menschen mit Behinderung wird eingesetzt

Hans-Peter Gramlich sagte zu, dass auch der Kreis am Thema Barrierefreiheit dranbleibe, da diese eine wesentliche Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben von Behinderten sei. „Wir haben in diesem Bereich bereits viel geleistet und werden das auch in Zukunft tun“, betonte der Sozialdezernent. Den Worten sollen schon in Kürze Taten folgen. So wird demnächst eigens ein Kreisbehindertenbeauftragter eingesetzt und zusätzlich eine Anlaufstelle geschaffen, die Informations- und Beratungsangebote zu dem Themenkomplex bereithält, aber auch Beschwerden entgegen nimmt.