Das Bolando in Bollschweil: Modell für eine Gaststätten-Genossenschaft Foto: ari

Die Dorfkneipe ist tot, denn oftmals finden Wirte keine Nachfolger. Die Dorfkneipe lebt aber auch – wenn sie nur attraktiv genug ist. Was das konkret bedeutet, soll jetzt ein Wettbewerb des Tübinger Regierungspräsidiums zeigen.

Die Dorfkneipe ist tot, denn oftmals finden Wirte keine Nachfolger. Die Dorfkneipe lebt aber auch – wenn sie nur attraktiv genug ist. Was das konkret bedeutet, soll jetzt ein Wettbewerb des Tübinger Regierungspräsidiums zeigen.

Tübingen - Zum Feierabendbier um die Ecke? In ländlichen Gegenden wird dies immer schwieriger. In mindestens 60 kleineren Gemeinden fehlt mittlerweile ein Gasthaus, hat der Arbeitskreis Heimatpflege im Regierungsbezirk Tübingen ermittelt – das ist der Dachverband aller Organisationen, die sich mit dem Thema Heimat befassen.

Die Ursache des schon häufig beschriebenen Kneipensterbens ist vielfältig. Es mangelt an Nachwuchs, aber auch an Verdienstmöglichkeiten für die Wirte. „Wenn man Dorffeste ohne die örtliche Gastronomie organisiert, gräbt man ihnen das Wasser ab“, sagt Karlheinz Geppert, der Vorsitzende des Arbeitskreises.

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Viele Dorfwirtschaften sind einfach nicht attraktiv genug für junge Gäste – Bier, Wurstsalat und Fernseher locken niemanden mehr über die Schwelle. Was sich das Publikum von einem zünftigen Dorfgasthaus erwartet, ist seit dem vergangenen Jahr schwarz auf weiß dokumentiert. Eine Postkartenaktion des Regierungspräsidiums förderte zutage, dass die meisten Gäste sich regionale Gerichte auf der Speisekarte wünschen. Außerdem schätzen sie eine Atmosphäre zum Wohlfühlen – was immer das auch heißt.

Zahlreiche Gastronomen machen darüber hinaus vor, wie man mit attraktiven Zusatzangeboten junges Publikum an sich bindet. Die einen bieten Livemusik, andere Theater oder Ausstellungen, wieder andere haben einen Laden mit regionalen Produkten angeschlossen. Die Dorfgaststätten dürfen sich nicht länger auf ihre klassische Rolle reduzieren, meint Geppert.

Einfallsreiche Wirte können sich jetzt auch am Wettbewerb „Vorbildliches Dorfgasthaus“ beteiligen, das der Arbeitskreis Heimatpflege für den Regierungsbezirk Tübingen ausgeschrieben hat. Beurteilt werden sie unter anderem danach, welche Rolle ihr Haus für die Ortschaft hat, welches kulturelle Angebot sie machen und was ihre Speisekarte bietet.

Bis Ende April nimmt der beim Regierungspräsidium angesiedelte Arbeitskreis Heimatpflege Bewerbungen entgegen. Prämiert werden bis zu drei Häuser. Bewerben können sich alle Dorfgasthöfe, sofern sie reguläre Öffnungszeiten haben.

„Wir wollen damit auch das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Bedeutung der dörflichen Gastronomie wecken“, sagt Carsten Dehner von der Tübinger Behörde. Die Gasthäuser seien wichtig für die ländliche Infrastruktur.

Das meinen auch jene Dorfbewohner, die selbst mit anpacken, um die örtliche Wirtschaft am Laufen zu halten: Es gibt offenbar immer mehr solche Idealisten. Meist organisieren sie sich in der Rechtsform einer Genossenschaft, um eine bedrohte oder bereits aufgegebene Gaststätte wiederzubeleben.

Den Anfang hat 2009 das Bolando in Bollschweil südlich von Freiburg gemacht. Mittlerweile funktionieren mehrere Kneipen, Gaststätten oder Cafes nach diesem Modell, so etwa das Rössle in Todtnau und die Goldene Krone in St. Märgen im Schwarzwald. Auch in einigen Gemeinden auf der Alb erwägen interessierte Bürger, diesen Weg zu gehen.

Auf eines legt Regierungspräsident Hermann Strampfer, der Schirmherr des Wettbewerbs, großen Wert: Dörfliche Gastronomie habe nichts mit Heimattümelei zu tun, sagte er bei der Vorstellung der Aktion. Gastlichkeit stehe an erster Stelle, und die sei auch bei Pizza oder Souflaki möglich.

Bisher sind übrigens erst sechs Bewerbungen für den Wettbewerb eingegangen. Doch die Gemeinden wurden erst vor kurzem darüber informiert. Und noch ist ja ein Monat Zeit.