Früher haben hier Arbeiter Baumwolle gesponnen, nach einem Umbau sollen Senioren einziehen können Foto: Horst Rudel

Das letzte große Produktionsgebäude der bauhistorisch bedeutenden Baumwollspinnerei Kuchen (Kreis Göppingen) wird jetzt zu einem Seniorenheim umgebaut. Das Landesamt für Denkmalpflege hat am Sanierungskonzept mitgewirkt.

Kuchen - In vollem Gange sind die Umbauarbeiten am historischen Spinnereigebäude der ehemaligen Bauwollspinnerei in Kuchen, welches das Lindauer Unternehmen I+R Dietrich Wohnbau zu einer Seniorenresidenz mit 64 Pflegezimmern und 19 Wohnungen umwandelt. Das denkmalgeschützte Gebäude, das 1861 entstanden ist, zählt nach Einschätzung des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart zu den bedeutendsten Industrieanlagen überhaupt in der Region.

Der besondere Wert der Anlage, zu der das Spinnereigebäude, die Arbeitersiedlung, die Villa, der Park sowie die Gas- und Dampfanlage und die Schlosserei gehören, erklärt sich nach Einschätzung von Simone Meyder vom Landesamt für Denkmalpflege, das seinen Sitz in Esslingen hat, aufgrund der Seltenheit solcher kompletter Industrieanlagen in Württemberg. Allein schon sein Alter und der gute Erhaltungszustand machten das Kuchener Ensemble so wertvoll, berichtet Meyder. Von besonderer Qualität sei die Kuchener Arbeitersiedlung, die von ihrem Umfang her beispielsweise mit der Reutlinger Arbeitersiedlung Gmindersdorf verglichen werden könne.

Eine der ältesten Industrieanlagen

Auch in Reutlingen habe ein Textilmagnat mit dem Bau einer Arbeitersiedlung ein sozialpolitisches Konzept verfolgt, zu dem, ähnlich wie in Kuchen, ein Kinderhort, ein kleiner Marktplatz und ein Gasthaus gehören. Die Kuchener Planungen stammen von dem zu seiner Zeit bekannten Bahnanlagenarchitekten Georg von Morlok, während für Reutlingen der Stararchitekt des 19. Jahrhunderts, Theodor Fischer, die Pläne gezeichnet hatte.

Die Reutlinger Anlage wurde in den Jahren 1903 bis 1923 gebaut, dagegen datiert das Kuchener Pendant sogar schon aus der Zeit von 1858 bis 1869 und ist damit nur wenige Jahre jünger als die Bahngleise auf der Geislinger Steige, die im Jahr 1850 eingeweiht wurden. Auch im Kreis Göppingen zählen die Kuchener Gebäude zu den ältesten Industrieanlagen überhaupt. So wurde Märklin in Göppingen 1859 gegründet, die WMF folgte 1880 in Geislingen, und im Jahr 1909 eröffnete die Kornwestheimer Firma Salamander in Göppingen-Faurndau eine stattliche Schuhfabrik.

Aus Sicht der Denkmalschützer ist die Kuchener Baumwollspinnerei auch deshalb ein besonderes Ensemble, weil sich an den unterschiedlichen Bauten das gesamte soziale Spektrum der damaligen Gesellschaft vom Arbeiter bis zum Firmendirektor ablesen lasse. Und selbst der Park neben der Fabrikantenvilla ist zum Teil noch erhalten und inzwischen – anlässlich der Eröffnung der Route der Industriekultur im Filstal – neu belebt worden.

Im Vergleich zu den Häusern der Arbeitersiedlung präsentiere sich das Spinnereigebäude nach Worten von Meyder eher schlicht, werde allerdings trotzdem aus größerer Entfernung allein schon wegen seiner Viergeschossigkeit als repräsentativer Bau wahrgenommen. Typisch für die axial gegliederte Fassade seien darüber hinaus die großen Fenster, die einst die großen Spinnsäle erhellt haben sowie die Putz- und die Werksteingliederung.

Denkmalamt in Planungen eingebunden

„Wir sind die fachlich beratende Stelle“, beschreibt Simone Meyder die Rolle des Landesamts für Denkmalpflege, das seit Beginn der Planungen für die Gebäudesanierung in die Überlegungen involviert gewesen sei, wie die geplante neue Nutzung als Seniorenwohnheim in dem historischen Spinnereigebäude verwirklicht werden könnte. Während es bei der Gestaltung der Fassade nur einige wenige Eingriffe gebe, habe man im Innern des Gebäudes nach Kompromissen gesucht. Schließlich seien die künftigen Wohneinheiten nur zu verwirklichen, wenn die einst großen Hallen mit ihren gusseisernen Stützen, die mit unterschiedlich gestalteten Kapitellen ausgestattet sind, mit Zwischenwänden unterteilt würden. „Wir haben eine Lösung gefunden, und das ist letztlich auch gut so“, sagt Meyder und ergänzt, dass der Hallencharakter beispielsweise im Eingangsbereich erkennbar bleibe.

Da im Innern der ehemaligen Baumwollspinnerei keine historisch-technische Ausstattung in großem Maß erhalten sei, habe das mehr Freiheiten für den Bauherrn bedeutet.