Heinrich Steinfest beherrscht die hohe Kunst der Abschweifung. Foto: dpa

Er ist ein Meister der Fabulierkunst. Mit seinem aberwitzigen Agentenroman „Das Leben und Sterben der Flugzeuge“ hat der Stuttgarter Autor Heinrich Steinfest nun den Bayerischen Buchpreis gewonnen.

Stuttgart - Dass man mit einem Spatz in der Hand weit kommen kann, hat der Stuttgarter Autor Heinrich Steinfest mit seinem neuen Roman „Das Leben und Sterben der Flugzeuge“ erzählerisch eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Am Donnerstagabend wurde ihm für sein im besten Sinne durchgeknalltes Verwirrspiel, in dem ein deutscher Kommissar ein Doppelleben als Pariser Spatz führt, in München der Bayerische Buchpreis verliehen. Steinfest sei in seiner Surrealität einer der realistischen Autoren der Gegenwart, der in seinen ganz und gar unberechenbaren Romanen der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts seinen geistreichen Spiegel vorhalte. So lautete die Begründung der Jury, der neben dem TV-Literaturkritiker Denis Scheck die Journalistin Franziska Augstein und die Friedenspreisträgerin Carolin Emcke angehörten.

In der Tat drängen sich bei dem Versuch, die Handlung zusammen zufassen, zunächst vor allem deren kühne surrealistische Wendungen auf: Ein Spatz, der sich in seinen Träumen in einen herztransplantierten Kommissar verwandelt, um den vermeintlichen Unfalltod einer jungen Frau aufzuklären. Doch wie so oft bei Steinfest mischen sich in seine fantastischen Capricen sehr reale Tagesreste aus den Alpträumen der Zeit vom islamistischen Terror bis zum Brexit.

Kühner Drahtseilakt

Der 1961 in Australien geborene, zwischen Wien und Stuttgart, Fantasie und Wirklichkeit, mäanderende Autor, ist ein Meister ausschweifender Fabulierkunst. Am Anfang standen klug verspielte Krimis. Doch inzwischen hat der bisweilen an orientalische Geschichtenerzähler erinnernde Autor so viel in das Genre gepumpt, bis es geplatzt ist wie der Wal in seinem vorletzten Roman „Der Allesforscher“. Wie dessen Protagonist durch diesen seltsamen Unfall auf eine andere Umlaufbahn geschleudert wurde, so zirkulieren Steinfests Bücher inzwischen im Sonnensystem der besten deutschsprachigen Romane. Der „Allesforscher“ stand 2014 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, mit seinem Spatzenroman fällt ihm nun die Taube des seit dem letzten Jahr vergebenen und mit 10 000 Euro dotierten bayerischen Literaturpreises gewissermaßen gebraten in den Schoß.

Neben Steinfests kühnem Drahtseilakt über den Grenzen von Zeit, Raum und Einbildungskraft waren Terézia Moras Erzählband „Die Liebe unter Aliens“ sowie Christian Krachts Kinoroman „Die Toten“ nominiert – ein Buch das der Jury-Vorsitzende Denis Scheck kürzlich noch als Jahrhundertroman gepriesen hat, mit dieser Einschätzung sich aber offenbar nicht gegen seine Ko-Jurorinnen durchsetzen konnte. Den Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten erhielt die große Germanistin, Autorin und Holocaust-Überlebende Ruth Klüger. In der Kategorie Sachbuch siegte Andrea Wulf mit der Lebensbeschreibung „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“ .