Die Alte Strickfabrik in Weissach – Veranstaltungszentrum mit Kinder- und Jugendhaus und Musikschule Foto: FACTUM-WEISE

Bereits 2004 gab es Mahnungen der Behörden, dass die Bauvergaben in Weissach (Kreis Böblingen) nicht korrekt gelaufen sind. Auch die Staatsanwaltschaft hat 2006 ermittelt. Neue Details zeigen, wie ausgeklügelt das System war.

Bereits 2004 gab es Mahnungen der Behörden, dass die Bauvergaben in Weissach (Kreis Böblingen) nicht korrekt gelaufen sind. Auch die Staatsanwaltschaft hat 2006 ermittelt. Neue Details zeigen, wie ausgeklügelt das System war.

Weissach - Viele Kenner der Vorgänge haben sich nach den ersten Veröffentlichungen gemeldet. Daraus ergibt sich noch ein detaillierteres Bild, wie das System unklarer Auftragsvergaben an lokale Unternehmer ausgesehen hat. Dabei fällt auch immer wieder der Name des Leonberger Architekturbüros Schneck – das personelle Verflechtungen mit der Firma Essig hat. Insgesamt geht es um eine Summe von bis zu 50 Millionen Euro, die meistens an die gleichen lokalen Unternehmer gegangen ist. Die meisten Aufträge wurden über die Kommunale Baugesellschaft (Kommbau) abgewickelt. Die ersten Projekte waren ab dem Jahr 2002 die beiden Altenheime in Weissach und Flacht, das Otto-Mörike- und das Rosa-Körner-Stift. Beide Investitionen von zusammen 17 Millionen Euro sollten, so berichten Insider, ohne Vergabe vom Leonberger Büro Schneck geplant werden.

Gab es Bieter-Absprachen?

Da spielten aber die Weissacher Architekten nicht mit und drohten dem damaligen Bürgermeister Roland Portmann mit Anzeige. Daraufhin wurde nur das Mörike-Stift ohne Wettbewerb an das Büro Schneck übergeben – beim Rosa-Körner-Stift durften die Weissacher Architekten in Zweier-Teams Entwürfe abgeben. Allerdings mit dem gleichen Ergebnis: „Den Auftrag bekam Schneck.“ Gebaut hat wie fast immer die Firma Essig.

Ein Mitglied des Aufsichtsrates schildert, wie das System mit der Kommbau funktioniert hat. „Als Bindeglied zu den Unternehmen fungierte Axel Michael“, erklärt er. Der Technische Geschäftsführer der Kommbau und Tiefbauamtsleiter hielt den Kontakt zu Baufirmen und Handwerken. In Flacht in der Gastwirtschaft „Adler“, so erzählt ein Informant, traf sich dann der so genannte „Kommbau-Stammtisch“. Dort sollen Aufträge im großen Stil verteilt worden sein – wobei die Firma Essig eine Schlüsselrolle gehabt haben soll. Abgesprochen wurde wohl, wer wieviel bietet. Wer weniger bekam, sollte bei einem anderen Auftrag mit einem „Leonberger Architekten“ dafür mehr bekommen, so berichtet es einer der Unternehmer, der mit dabei war und anonym bleiben will. Ein weiteres Indiz dafür, dass bei vielen Ausschreibungen nicht alles mit rechten Dingen zuging, schildert ein anderer Kenner der Materie. Bei einem der vielen Großprojekt sichtete er die Submissionsangebote und stellte fest, dass ein Umschlag geöffnet war. Offenbar war im Rathaus reingeschaut worden. „Ein Unding, das darf überhaupt nicht sein“, berichtet er.

Aktenkundig ist, dass es spätestens 2004 unübersehbare, amtliche Warnungen gab, dass die „Nachverhandlungen“ mit den Bietern bei Bauaufträgen nicht den Vorschriften entsprechen. Denn beim Bau der Strudelbachhalle hat ein unterlegener Bieter – dem Vernehmen nach soll es die Firma Züblin sein - über den Fachverband Bau (heute Bauwirtschaft Baden-Württemberg) in Stuttgart eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht. Die 2008 eröffnete Halle, die mindestens 9,7 Millionen, mit dem anliegenden Gasthof sogar bis zu 15 Millionen Euro gekostet haben soll, wurde ebenfalls an die Firma Essig vergeben. „Es gab einen Vorgang“, sagt Rainer Diener, Hauptgeschäftsführer des Verbandes.

Rüge des Landratsamts

Ob diese Beschwerde der Auslöser für eine Rüge des Landratsamtes war, bleibt offen. Allerdings hat das Landratsamt am 18. November 2004 ein scharf formuliertes Schreiben an Bürgermeister Roland Portmann verfasst, in dem die seltsame Vergabepraxis gerügt wurde. Das bestätigt auch der damalige Landrat Bernhard Maier: „Wir haben das angemahnt, es gab mehrere Gespräche mit der Gemeinde.“ Eine Mahnung hat die Gemeindeprüfungsanstalt in einem Schreiben vom 28. Oktober erteilt. Zwei Jahre später hat auch die Staatsanwaltschaft ermittelt. „Es ging um den Vorwurf der Bestechlichkeit, unter anderem“, sagt Claudia Krauth, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Es wurde geprüft, ob ein Amtsleiter empfänglich für Zuwendungen war. Beweise wurden keine Beweise gefunden. Nach der Bürgermeisterwahl 2006, als Ursula Kreutel gewählt wurde, wurde das Verfahren eingestellt. Inzwischen sind die Vorwürfe verjährt, die Akte vernichtet.

Es gab aber auch im Aufsichtsrat der Kommbau schon früh Mahnungen. Allerdings wurden Kritiker stets abgebügelt. „Man wurde regelrecht niedergebrüllt, wenn man das ansprechen wollte“, erzählt ein ehemaliges Mitglied des Aufsichtsrats. Ein früherer Bauhofleiter der Gemeinde begehrte ebenfalls auf – und sah sich sofort mit einem Anwaltsschreiben und möglichen Unterlassungsklagen konfrontiert. Nicht geschwiegen hat schon früh der bis zur Sommerpause amtierende Vize-Bürgermeister Martin Jäckle. „Ich bin aus dem Aufsichtsrat der Kommbau ausgeschieden, weil ich das nicht mehr mittragen konnte“, erklärt er. Im Jahr 2007 schon verwies er auf die Briefe des Landratsamtes und des Regierungspräsidiums von 2004. Er verweigerte auch die Entlastung der Geschäftsleitung.

Der frühere Freie-Wähler-Gemeinderat und ehemalige Aufsichtsrat Martin Kilpper indes verteidigt die Arbeit in der Kommbau. „Wir haben immer eine gute Qualität bekommen, indem wir mit den lokalen Firmen verhandelt haben“, sagt er. So habe man auch mit der Firma Essig immer reden können und häufig Rabatte ausgehandelt. Die Gemeinde habe durch die Nachverhandlungen viel Geld gespart. Zudem verweist er auf drei Gutachten, die die Kommbau in Auftrag gegeben habe: „Demnach war das alles rechtlich in Ordnung.“ Das sei auch sein Empfinden als Aufsichtsrat gewesen.

Bleibt die Frage, warum die Aufseher im Landratsamt so lange untätig geblieben sind. Sprecherin Maria Höfer dazu: „Es gab im Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt keine Hinweise auf eine Straftat.“ Daher habe man die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet. Im übrigen habe man der Gemeinde viele Arbeitsaufträge erteilt, die noch nicht erledigt seien. Viele Punkte seien bis heute offen: „Das Verfahren wurde daher nicht eingestellt.“