Riesenbohrer in Wartestellung: Von der Besucherplattform am Aichelberg sind es ein paar Meter bis zum Tunnelmund Foto: Horst Rudel

Vor dem Tunnelmund der Schnellbahntrasse Stuttgart–Ulm wird zurzeit ein Riesenbohrer und einiges mehr montiert. Zahlreiche Zaungäste lassen sich das Spektakel nicht entgehen und nutzen die eigens errichtete Besucherplattform.

Vor dem Tunnelmund der Schnellbahntrasse Stuttgart–Ulm wird zurzeit ein Riesenbohrer und einiges mehr montiert. Zahlreiche Zaungäste lassen sich das Spektakel nicht entgehen und nutzen die eigens errichtete Besucherplattform.

Aichelberg - Marius ist ziemlich verwirrt: „Die Männchen sind ja ganz schön klein, Papa.“ Und noch ehe der Papa etwas sagen kann, schiebt der sechsjährige Knirps eine Frage hinterher: „Sind die echt?“ - Patrick Scholz nickt und setzt zur Erklärung an: „Das sind Menschen, die bestimmt genauso groß sind wie ich.“ Doch der Gesichtsausdruck des Sohnemanns bleibt skeptisch. Denn in der Tat gleichen die Männchen, die sich auf der Baustelle für die Schnellbahnstrecke Stuttgart-Ulm vor dem Tunnelportal Aichelberg tummeln, Figuren, die einem Playmobilkasten entsprungen sein könnten.

Zumindest von der Besucherplattform aus, die von der Bahn oberhalb des Tunnelmunds errichtet worden ist, wirkt alles, was lediglich Normalgröße hat, winzig: Ob Lastwagen oder Schubkarre, ob Presslufthammer oder Schaufel – alles sieht aus wie Spielzeug. Diese Verschiebung der Realität ist den riesigen Gerätschaften geschuldet, die ansonsten in der großen Grube herumstehen, und den unglaublichen Dimensionen, die das Baufeld insgesamt aufweist. Darüber staunt auch der Vater Patrick Scholz, der mit seiner Familie aus Esslingen angereist ist, „um das mal live und in Farbe zu sehen.“

Braun- und Grautöne dominieren das Bild. Der Riesenbohrer, dessen Schneidrad einen Durchmesser von mehr als elf Metern hat, ist hauptsächlich weiß, ebenso der so genannte Nachläufer, der dafür sorgt, dass der Aushub aus der Röhre heraus und die Wandverkleidungsteile, sogenannte Tübbinge, in diese hineinkommen. Farbtupfer bilden lediglich ein gelb-roter Mega-Kran, hellgrüne Baumaschinen sowie blaue Abdeckplanen.

Im November soll die alles in allem rund 120 Meter lange Tunnelbohrmaschine einsatzfähig sein. Zehn bis zwölf Meter weit arbeitet sich das von 13 Motoren mit einer Leistung von 6200 PS angetriebene monströse Gerät dann Tag für Tag in den Berg hinein. Ein Besuch der Baustelle dürfte also noch interessanter werden, da auch die Anlieferung der Tübbinge vom Betonwerk unweit der Autobahnausfahrt mit einer eigens errichteten Stollenbahn und das Umladen beobachtet werden können. Obendrein sind auf dem Beobachtungsgerüst zahlreiche Informationstafeln angebracht.

Martin Stiehle hat zumindest vor, „hier immer wieder mal vorbeizuschauen“ Der Servicetechniker für CNC-Maschinen wohnt in Bad Boll-Eckwälden und ist häufig mit dem Fahrrad unterwegs. „Da lässt man sich eine solch einmalige Baustelle natürlich nicht entgehen“, sagt er. Stiehle findet es gut, „dass die Bahn die Möglichkeit geschaffen hat, dass sich die Leute die Arbeiten aus nächster Nähe anschauen können“. Interessant sei das ja allemal.

Dieser Überzeugung scheinen auch etliche Bewohner aus Aichelberg zu sein. Bürgermeister Martin Eisele weiß von einigen „sehr interessierten Rentnern aus dem Ort“ zu berichten, die ihn auf den neuesten Stand darüber bringen, was sich am Tunneleingang gerade so tut. Auch seitens der Bahn fühlt sich der Schultes gut informiert. „Das hat sich eingependelt und zu einem echten Miteinander entwickelt“, betont er. Dass die Besucherplattform zudem von Auswärtigen rege genutzt wird, ist dem Rathauschef ebenfalls nicht verborgen geblieben: „Viele schauen sich das Spektakel an und fahren weiter. Einige bleiben aber und kehren in unseren Wirtschaften ein“. Andere kämen immer wieder.

Marius will demnächst auch wieder kommen - zumal er jetzt weiß, dass Papa Patrick recht hat. Als Jörg Zschage, einer der Bauüberwacher, mit einigen Gästen auf dem Stahlgerüst auftaucht, murmelt der Kleine so etwas wie: „Die Männchen sind ja doch nicht nicht so klein, wie ich dachte.“