Manfred Klotz hätte gern ein Luxusapartment unterm Dach. Foto: Kathrin Wesely

Ein Hausbesitzer will das Dach seines denkmalgeschützten Wohnhauses gemäß den ursprünglichen Plänen rekonstruieren und darf das nicht.

S-West - Wegen seines Daches ist Manfred Klotz von Pontius zu Pilatus gelaufen; überall hat er sein Vorhaben vorgetragen: Der Hausbesitzer will das Dach seines denkmalgeschützten Wohnhauses gemäß den ursprünglichen Plänen rekonstruieren. Es war im Zweiten Weltkrieg zerstört und später rasch und pragmatisch wieder aufgebaut worden. Klotz spricht von einem „Notdach“. In den zugewonnenen Quadratmetern will der Realschullehrer ein großzügiges Dachappartement mit offenem Innenhof bauen. Von Seiten des Denkmalamtes und auch baurechtlich hat Klotz alles unter Dach und Fach, er könnte sofort loslegen mit dem Dachausbau. Wäre da nicht die Nachbarin vis à vis. Klotz braucht die Zustimmung aller 17 Nachbarn. Doch diese eine Dame macht von ihrem Vetorecht Gebrauch. Dabei, so Klotz, wohne die Frau so, dass sie der Dachumbau gar nicht tangiere. Doch so lange er sie nicht umstimmen kann, muss er auf die Dachsanierung verzichten. „Alle Nachbarn wurden vom Baurechtsamt angeschrieben, darüber hinaus haben wir für jeden Nachbarn eine ausführliche Infomappe zusammen gestellt. Wir haben auch niemanden bedrängt, sondern den Leuten Bedenkzeit eingeräumt.“ Ihn ärgert, dass die Frau noch nicht einmal begründet, was ihr an seinem neuen Dach nicht passt.

„Bitte verschonen Sie mich mit dem Klotz!“, ist das erste, was die Dame auf eine telefonische Anfrage antwortet. Und das zweite und letzte, was sie zum Nachbarsdach sagt, bevor sie grußlos auflegt ist: „Ich find’s ungeheuerlich, was der alles in Bewegung setzt, nur weil er den Hals nicht voll kriegt!“ Manfred Klotz ist in der Tat unglaublich rührig. Er steigt den Leuten buchstäblich aufs Dach. Der 46-Jährige hat sich schon hilfesuchend an die Stadt gewandt, an den Bezirk, an eine Bürgerinitiative, an die Presse – alles vergebens. Jetzt muss ein Anwalt ran.

„Es gibt im Baurecht nur sehr wenige Vorschriften zum Schutz der Nachbarn. Sie haben nur sehr wenig Möglichkeiten, ein Bauvorhaben zu verhindern“, sagt Kirsten Rickes vom Baurechtsamt. Und das Vetorecht greife auch nur dann, wenn die Belichtung, Besonnung oder Belüftung des Nachbarn beeinträchtigt ist oder etwa Gebäudeabstände zu gering sind. Letzteres ist bei dem Wohnhaus in der Vogelsangstraße der Fall – aber schon seit seiner Errichtung. In dem gesamten historisch gewachsenen Areal um den Bismarckplatz entsprechen die Abstände zwischen den Gebäuden nicht den heutigen Maßstäben.

Als der Bäckermeister Friedrich Schneider das Haus im Jahr 1902 samt Backstube und Ladenlokal errichtete, gab es diese Vorschriften nicht. Daran stört sich aber das Baurechtsamt nicht, weil Altbauten Bestandsschutz genießen. Der gilt aber nicht mehr für An- und Umbauten – auch dann nicht, wenn dabei der originale Zustand widerhergestellt werden soll. Die Familie Klotz hat das Haus übrigens 1936 vom Sohn des Bäckermeisters gekauft. „Damals wurden dann richtige Bäder eingebaut, bis dahin gab es bloß Plumpsklos“, sagt Klotz. „Die Wohnungen waren mit etwa 120 Quadratmetern recht groß. Nach dem Krieg wurden sie geteilt, um mehr Leute unterzubringen. Es herrschte ja große Wohnungsnot.“ In den Laden im Erdgeschoss seien später unter anderem eine Werkstatt für Laufmaschenreparaturen, eine Schreinerei und ein Feinkosthändler eingezogen, berichtet Klotz. „Hinter dem Haus war eine große Ziegelfabrik. Der Kamin davon ist noch auf den alten Bildern zu sehen.“

Keinem der Nachbarn würde Luft und Licht geraubt durch das neue Dach, auch der widerspenstigen Dame nicht, schreibt die Anwaltskanzlei, die Klotz mittlerweile mit der Angelegenheit betraut hat. Der Rechtsbeistand hat Widerspruch erhoben gegen die Ablehnung einer Baugenehmigung. Dabei, so Klotz’ Anwalt, wäre es flacher und daher sogar ein wenig niedriger als das „Notdach“. Aber es würde dadurch eben einige Zentimeter weiter über die Fassade ragen und so den ohnehin zu geringen Abstand zu benachbarten Häusern noch weiter verringern. Kirsten Rickes vom Baurechtsamt rät spontan, den Winkel des Dachs eben so anzupassen, dass der Abstand eingehalten werde. „Das geht nicht, hat mir das Denkmalamt gesagt“, kontert Klotz. Er hofft nun, auf dem juristischen Weg sein Dach durchsetzen zu können. Kirsten Rickes ist skeptisch: So leicht seien die Rechte der Nachbarn nicht auszuhebeln.

Sollte Klotz unterliegen, würde dem Quartier dann eine privat finanzierte Verschönerungsmaßnahme durch die Lappen gehen? Nicht wirklich. Der Laie würde die Veränderung am Dach vermutlich gar nicht bemerken. Wie das Haus im Originalzustand aussehen würde, kann man um die Ecke betrachten: In der Bismarckstraße steht das nahezu gleiche Haus noch einmal – nur der Erker fehlt und das ursprüngliche Dach, von dem man unten von der Straße aus nur wenig sieht, ist noch vorhanden. Der Architekt Ludwig Blankenhorn hat außer diesen beiden Wohnhäusern in der näheren Umgebung noch eine ganze Reihe weiterer Gebäude in historisierenden Stilen errichtet.

Vielleicht nicht dem Quartier, wohl aber dem Hauseigentümer Klotz geht vermutlich eine Menge durch die Lappen. Für den Umbau hat er Baukosten in Höhe von knapp einer halben Million Euro veranschlagt. Eine Investition, die er mit dem Verkauf der entstehenden 150 Quadratmeter großen Dachwohnung samt privatem Atrium ganz sicher mehr als wett machen wollte. Ihm will nicht einleuchten, dass ausgerechnet ihm das Baurecht einen Strich durch die Rechnung macht: „Vom Gerber und vom Bismarckhaus hier gleich ums Eck stehen bloß noch die Fassade, auch den historischen Bahnhof darf man halb abreißen. Aber bei mir sind sie plötzlich kleinlich.“