Baumpate Rudolf Frank und Initiator Werner Koch unter dem behüteten Blauglockenbaum Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bäume haben in der Stadt einen schweren Stand, bekommen durch den Asphalt um sie herum oft zu wenig Wasser. Baumpaten sorgen sich ehrenamtlich darum, dass so viel Grün wie möglich erhalten bleibt.

Stuttgart - Es ist wie so oft im Leben. Ein Ding, zwei Meinungen. Für die einen ist ein Baum in der Stadt ein Wunder der Natur, ein Luftverbesserer, eine optische Freude und ein Schattenspender. Andere sehen in ihm ein hölzernes Ärgernis, das Parkraum blockiert, Betrunkene und Hunde zum Pinkeln anlockt, zudem Dreck in Form von Blütenstaub und Laub generiert und die Sonne abschirmt. Für sie ist ein guter Baum einer, der sauber in Scheite gespalten leise knisternd im offenen Kamin verbrennt oder irgendwo im fernen Wald rumsteht, wo er nicht weiter stört. Punkt.

Werner Koch gehört zur ersten Gruppe. Der Vorsitzende des Pro Stuttgart-Verkehrsvereins macht sich schon seit mehr als 20 Jahren für die Bäume im Städtle stark. Der ehemalige Leiter des Garten-, Friedhofs und Forstamts der Stadt war einer der Väter der 1992 ins Leben gerufenen Baumpatenschaften, bei denen sich Bürger ehrenamtlich um die Erhaltung der Luftverbesserer einsetzen. Konkret heißt das: Gießen in trockenen Sommerzeiten, Boden lockern, damit der Regen auch durch kann, Dreck entfernen und uneinsichtige Hundebesitzer aufklären, dass der enge Lebensraum eines oft von einer metallenen Pflanzscheibe eingefassten Stadtbaums keine Hundetoilette ist. Kurzum – Baumpate zu sein ist ein Gschäft und es bedarf auch einer guten Portion Frusttoleranz, wenn man wieder mal von der Seite angemacht wird, warum man sich denn um Himmels willen um Bäume kümmere, die einem nicht gehören. Das kommt laut Werner Koch relativ häufig vor.

Rudolf Frank pflegt seit Beginn der Aktion zwei Bäume

Etwa 40 000 Baume wachsen entlang Stuttgarts Straßen, um etwa ein Prozent davon kümmern sich um die 160 Baumpaten. Einer davon ist Rudolf Frank, der vor seiner Bäckerei in der Wächterstraße seit Beginn der Aktion zwei Bäume pflegt. „Das schafft doch gleich eine ganz andere Atmosphäre“, sagt der 75-jährige Bäckermeister, der zum Anlocken von Würmern zur Bodenlockerung immer wieder Kaffeesatz in den Boden einarbeitet. Eine ziemliche Arbeit, aber es lohnt sich – vor der Bäckerei steht ein mittlerweile stattlicher Blauglockenbaum, drumherum ein kleiner Platz, der einmal eine Straße war und auf dem jetzt seine Kunden unter dem Baum auf Bänken Kaffee trinken können.

Bäume sind aber nicht nur Schattenspender. Sie nehmen Staub aus der Luft, dienen als Lebensraum zum Beispiel für Vögel, produzieren Sauerstoff und dämpfen den Autolärm. Lauter positive Dinge, von denen all die nichts wissen wollen, denen ein Baum vor dem Fenster die Sicht nimmt. Ohne engagierte Bürger, da sind sich Koch und Frank einig, sähe es weniger gut aus um Stuttgarts Straßenbäume. Zumal die durch die beengten Platzverhältnisse ganz konkrete Hilfe, meistens in Form von Wasser, brauchen. Oder eine pflegende Hand, wenn wieder mal in den engen Beeten Müll abgeladen wird. Besonders nach lauen Sommernächten muss Rudolf Frank oft Pizzaschachteln und Bierdosen entsorgen. Aber für seine Bäume steht der Bäcker hin. „So ein Baum ist einfach eine feine Sache“, sagt Frank.

Der Klimawandel macht den Stadtbäumen zu schaffen

Außer ehrenamtlicher Arbeit und einem guten Gefühl haben Baumpaten nichts von ihrem Engagement für eine grünere Stadt. Einmal im Jahr lädt Pro Stuttgart die Paten zu einem Treffen ein – und versucht dabei, auch neue Interessenten zu gewinnen. „Die Zahl nimmt langsam wieder zu“, sagt Werner Koch. Aber natürlich könnten es noch viel mehr werden. Der Klimawandel mit zunehmenden Wetterextremen macht schließlich auch Stuttgarts Stadtbäumen künftig immer mehr zu schaffen.