Was im Sommer noch grünte, ist gefällt und gehäckselt. Foto: red/privat

Trotz Protest hat die Eduard-Pfeiffer-Stiftung im Stitzenburgviertel einen Garten roden lassen. Die Verantwortlichen haben das Thema offenbar unterschätzt.

S-Mitte - Herkunft kann hilfreich sein. „Das macht nichts, ich stamme vom Teufelsmoor“, sagt Veronika Kienzle. Die Absätze ihrer Stiefel versinken in frisch gepflügter Muttererde. Kienzles Ziel ist ein brusthohes Bäumchen, an dem ein Blatt Papier hängt, das jemand in Form eines Herzens zurechtgeschnitten hat. Die Bezirksvorsteherin der Stadtmitte will wissen, was darauf geschrieben steht. „Danke“, ruft sie aus ihrem persönlichen Teufelsmoor herüber. Das steht da. Ein paar Meter weiter klauben Arbeiter das Holz gefällter Bäume zusammen. Vermutlich gilt der Dank demjenigen, der entschieden hat, den Baumzwerg leben zu lassen.

Abgesehen von ein paar stattlichen Bäumen ist so gut wie alles, was hier im Sommer grünte, gefällt, gerodet, gehäckselt und weggekarrt. Bis zum 7. Januar war die matschige Fläche ein Garten inmitten des Stadtzentrums, wenn auch ein verwilderter. Dann rückten die Arbeiter mit Sägen und einem Kleinbagger an. Der einstige Garten liegt zwischen Mietshäusern in einem Innenhof zwischen der Hohenheimer- und der Stitzenburgstraße, in einem Wohngebiet, in dem regelmäßig die höchsten Feinstaubwerte in ganz Deutschland gemessen werden.

Als der Plan bekannt wurde, protestierten die Anwohner

Die Anwohner sind empfindlich dort, wenn es ums Fällen von Bäumen geht, noch empfindlicher als andernorts im Zentrum Stuttgarts, auch wenn eher wilde Bäumchen und Gebüsch wucherten. Als der Rodungsplan bekannt wurde, protestierten sie. Sogar der Bezirksbeirat setzte das Thema eilig auf seine Tagesordnung und bat den Grundstücksbesitzer, seine Pläne zumindest mit den Mietern zu besprechen, möglichst einen Kompromiss zu finden. Geholfen hat es nichts. Die Mieter bekamen einen Brief, in dem das Datum stand, an dem die Arbeiten beginnen.

Gleich um die Ecke sind die Fällarbeiten Thema am Stehtisch der Bäckerei Frank. Die Mieter „sind ja alle zu mir gekommen“, sagt Rudolf Frank, der Seniorchef, „ich habe allen gesagt, sie sollen aufs Rathaus gehen.“ Frank ist Vorsitzender des Bürgervereins Stitzenburgviertel und so etwas wie die Seele des Quartiers. Besitzer des Grundstücks ist die Eduard-Pfeiffer-Stiftung. Selbstverständlich ist der Garten ein Privatgarten, und selbstverständlich hat kein Gremium ein Recht, dem Besitzer vorzuschreiben, wie sein Garten auszusehen hat. Aber „gerade für ein gemeinnütziges Unternehmen wäre es eine Ehre gewesen, mit den Anwohnern über die Gestaltung zu sprechen“, sagt Kienzle, „ich finde ein solches Verhalten rückständig.“

Das Angebot der Bezirksvorsteherin bleibt ohne Antwort

Sie hatte sogar angeboten, eine klärende Runde zu moderieren, um der Stiftung abendliche Arbeit zu ersparen. „Wenigstens eine Absage hätte ich erwartet“, sagt sie. Stattdessen kam schlicht gar keine Antwort auf das Angebot. Früher wäre das nicht passiert, meint Frank. Einst kam der Geschäftsführer der Stiftung „zu mir in die Backstube, wenn eine Wohnung frei wurde und hat gefragt, ob ich jemanden weiß“. Er wusste immer jemanden.

Allerdings ist die Stiftung inzwischen wenig mehr als ein Registereintrag und eine Telefonnummer, unter der eine Computerstimme Nachrichten erbittet. Die Wohnungen verwaltet und bewirtschaftet der Bau- und Wohnungsverein – wie knapp 5000 weitere auch. Dessen Verantwortliche haben das Thema offenbar unterschätzt. Die Rodung „war nicht mehr als das Ausmisten einer verwilderten Fläche, das war kein Biotop“, sagt der Vereinsvorstand Thomas Wolf, „eine große Mieterversammlung mit Gestaltungsvorschlägen wäre maßlos übertrieben gewesen“.

Zumal die Grundabsicht hinter den Plänen eine gute ist: In der Vergangenheit haben sich wenige Pächter das Grün geteilt. Künftig sollen alle Mieter der umliegenden Häuser den Garten benutzen. „Wir wollen dort eine Grünfläche mit Sitzecken, damit man auch mal einen Kaffee trinken kann“, sagt Wolf, „das wird ein Gewinn für alle Mieter.“ Wie der neue Garten aussehen und wann er nutzbar sein wird, ist allerdings noch offen. Bisher gibt es keine Pläne. „Das müssen wir mit einem Gartenplaner besprechen“, sagt Wolf.