Erwin Heinle, aufgenommen im Mai 2001 Foto: Archiv

Zum 100. Geburtstag von Erwin Heinle würdigt dessen Büro in der Kunstakademie das Lebenswerk des Stuttgarter Architekten. Seine Karriere begann er als Oberbauleiter des Fernsehturms.

Stuttgart - „Hier spricht die Oberbauleitung!“ Mit diesen Worten führte Erwin Heinle 1959 in den offiziellen Führer zum Stuttgarter Fernsehturm ein. Konstruktion und Idee stammten von Fritz Leonhardt. Aber Bauleiter war Heinle, dem sein 1962 gegründetes Büro Heinle, Wischer und Partner nun an der Kunstakademie eine Ausstellung widmet. Zuvor im Büro seines Lehrers Günter Wilhelm unter anderem an der damals wegweisenden Silcherschule in Zuffenhausen und an den Uni-Gebäuden KI und KII im Talkessel beteiligt, war er von Rolf Gutbrod an den Süddeutschen Rundfunk empfohlen worden, der für die neuartige Konstruktion des Turms einen schwindelfreien Architekten suchte.

Das Büro, heute mit rund 250 Mitarbeitern eines der großen in Deutschland, will mit der Ausstellung einladen, „die Persönlichkeit hinter den beeindruckenden Zahlen und Leistungen kennenzulernen“. Heinles Sohn Thomas war an der Konzeption beteiligt, und so sind neben den wegweisenden Bauten auch viele private Dokumente zu sehen. „Eigentlich wollte ich zur See“, lautet das Motto der ersten von elf Stationen: Formschöne Tische aus schlanken Holzleisten ohne vorgeschriebene Reihenfolge, die einzelne Schritte auf dem Lebensweg und übergreifende Aspekte hervorkehren. Durchaus humorvoll: Heldenverehrung wird nicht betrieben.

Heinle war kein Musterschüler

So zeigt ein ausliegendes Zeugnis, dass Heinle kein Musterschüler war: In den aufgeschlagenen Seiten liegt der Notenschnitt unter vier. Aber er konnte zeichnen, wie schon Karikaturen aus der Schulzeit beweisen. Kriegstagebücher sind voll mit Skizzen. Als Soldat in Griechenland festigte sich sein Wunsch, Architekt zu werden. Nach dem Krieg musste die Architektur modern sein, sich von der Nazizeit unterscheiden. Personell war die Entwicklung in Stuttgart jedoch eher von Kontinuität geprägt: Günter Wilhelm war wie Leonhardt Mitarbeiter von Paul Bonatz gewesen, Gutbrod hatte bei ihm studiert. Nach dem Fernsehturm arbeitete Heinle mit Horst Linde amBaden-württembergischen Landtag, nach dem ursprünglichen Entwurf von Kurt Viertel. Bei der Eröffnung fragte der baden-württembergische Innenminister Fritz Ulrich (SPD): „Wissen Sie, wie man den Landtag im Remstal bezeichnet? Das neue braune Haus.“ Den Gästen blieb das Lachen im Hals stecken, und Heinle suchte fieberhaft nach einer Replik. Er verwies schließlich auf das Seagram Building in New York, bei dem Ludwig Mies van der Rohe ebenfalls braun getönte Glasscheiben verwendet hatte. Mies war Heinles Idol. Und der Whiskyhersteller Seagram ein Jude. Zur Illustration steht im Regal eine Whiskyflasche.

Nach dem Landtagsbau fand Heinle in Robert Wischer einen Partner und eröffnete sein eigenes Büro. 1972, als er in München das Olympische Dorf für 15 000 Bewohner plante, hatte er bereits mehr als 200 Mitarbeiter. Als Dozent hatte er, in eigenen Worten, bereits Gelegenheit gehabt, in Stuttgart, Braunschweig und Hannover „vorzusingen“, als er durch Herta-Maria Witzemann, die am Fernsehturm und am Landtag die Inneneinrichtung gestaltet hatte, an die Kunstakademie kam. Hier hat er von 1965 bis 1981 gelehrt. Mit der Ausstellung im Neubau 2 kehrt er für wenige Tage an seine alte Wirkungsstätte zurück.

Bis 16. September, Am Weißenhof 1, geöffnet täglich von 17 bis 19 Uhr.