Bevor es auf die Baustelle geht, sind noch ein paar Treffen nötig. Die Baugrube soll im Frühjahr 2016 ausgehoben werden, der Einzug ist für Herbst 2017 geplant. Foto: Judith A. Sägesser

26 Erwachsene und 17 Kinder haben sich in Heumaden etwas vorgenommen, was in Stuttgart ein Novum ist: Sie wollen künftig zusammen leben und bauen deshalb zwei Häuser. Seit einem Jahr begleiten wir sie auf diesem Weg.

Heumaden - Die Steckdosen sprengen die Tagesordnung. Eigentlich wollte sich Andreas Wick um 20.15 Uhr verabschieden, und dann sollte es um die Fassaden gehen. Doch es ist so, wie es oft ist bei solchen Besprechungen: Sie sind zäh wie Kaugummi und dauern und dauern. Willkommen bei einer Sitzung der Heumadener Baugemeinschaft „Bern + Stein“ im Architekturbüro an der Ostendstraße .

Zwischenmenschlich schöner

Ein Dutzend Leute sitzt um den runden Tisch. Es sind längst nicht alle dabei. Die insgesamt 26 Erwachsenen und 17 Kinder haben vor, was es so bisher noch nicht gibt in Stuttgart: eine private Baugemeinschaft, die sich nicht bloß zusammengetan hat, weil es billiger, sondern auch, weil es zwischenmenschlich schöner ist. Sie wollen nicht nur nebeneinander leben, sondern miteinander. Vorgesehen sind deshalb unter anderem ein Gemeinschaftsraum und eine Werkstatt. Die beiden Häuser namens „Bern“ und „Stein“ sollen auf einer Ecke des Grundstücks an der Bernsteinstraße entstehen, auf dem das Siedlungswerk bereits Mehrfamilienhäuser hochzieht – gegenüber der neuen Kita.

Andreas Wick ist an jenem Abend an die Ostendstraße eingeladen worden, um den anwesenden Bauherren Dinge rund um die Elektrik zu erklären. Zum Beispiel wo künftig Lampen den Weg zur eigenen Haustür beleuchten sollen oder die Vor- und Nachteile von Lampe X im Vergleich zu Lampe Y; er erläutert, wie Kabel für Telefon und TV verlegt werden sollen, und er spricht eben über Steckdosen. Diskussionsstoff bietet die Frage, ob die Bauherren mitbestimmen können, wie viele Dosen wo angebracht sein werden und ob dieses Mitspracherecht extra kosten darf.

Bisher gibt es die beiden Häuser zwar nur auf den Plänen, aber darauf sind sie mittlerweile recht konkret. Die 80-Quadratmeter-Wohnung von Klaus Pfaffenzeller zum Beispiel ist so gut wie fertig entworfen, erzählt der 56-jährige Bauherr. Er gehört zu denen, die das Ganze vor gut einem Jahr angestoßen haben. Von den 23 Wohnungen sollen 14 vermietet werden, die restlichen gehören privaten Eigentümern. Oder besser: Sie gehören ihnen bald. Anfang Dezember ist der Notartermin, dann kauft die Lebensgemeinschaft das Grundstück in Heumaden.

Es braucht Geduld und gute Nerven

Pfaffenzeller und die anderen werden vermutlich aufatmen, wenn endlich die Unterschriften an den entsprechenden Stellen stehen. „Manchmal ist es wie ein Krimi“, sagt er und meint den Papierkram, den die Finanzierung des Gemeinschaftsprojekts aufwirbelt. Baut einer allein, ist die Kreditvergabe schon kompliziert genug, bauen mehrere ein Objekt zusammen, braucht es bis zur Unterschriftsreife Geduld und gute Nerven. „Es wird jetzt alles mit Hängen und Würgen darauf hingetrimmt“, sagt Pfaffenzeller in Bezug auf den Notartermin. Danach gehen die Bauherren erst mal einen trinken, sagt er. „Und dann haben wir Weihnachtspause.“

Doch noch ist es nicht so weit. Etwa alle zwei Wochen haben die Nachbarn in spe Besprechung. Das ist aufwendig, aber: „Ich treffe die Leute ja gern“, sagt Pfaffenzeller. Umso mehr freut er sich, wenn sie dafür nicht mehr ins Auto oder die Bahn steigen müssen, sondern einfach nebenan klingeln können. Der Tag, von dem an dies möglich ist, liegt zwar noch in der Ferne, er rückt aber näher. Die Bagger sollen fürs Frühjahr 2016 bestellt werden, der Einzug ist für Herbst 2017 vorgesehen.

Vor Kurzem hat sich überraschend ein Bauherr ausgeklinkt. Aus persönlichen Gründen, wie Pfaffenzeller sagt. Für ihn musste die Gemeinschaft rasch Ersatz finden, und nicht irgendeinen. Denn sie wollen sich ja grün sein untereinander. Was in aller Regel prima klappt. Zoff hat es laut Pfaffenzeller bislang so gut wie keinen gegeben. „Klar gibt es Meinungsverschiedenheiten“, sagt er. Aber schlussendlich mit gutem Ergebnis. Das sind beste Vorzeichen für die Zukunft. Ob die gute Nachbarschaft nicht nur in der Theorie und am Architektentisch funktioniert, wird sich jedoch erst weisen, wenn die Umzugswagen weggefahren sind. „Da wird man dann sehen, was möglich ist“, sagt Pfaffenzeller.

In eigener Sache

Was bedeutet es, Teil einer Baugemeinschaft zu sein? Welche Fragen und Probleme tauchen auf? Die Heumadener Baugemeinschaft ist eine der ersten in Stuttgart. Unsere Redaktion begleitet sie in regelmäßigen Abständen auf ihrem Weg zum gemeinsamen Zuhause an der Bernsteinstraße.

Infos im Internet

Bisher sind zwei Artikel zur Baugemeinschaft in Heumaden erschienen. Beide sind im Internet nachzulesen unter dem Link http://stzlinx.de/baugemeinschaft und http://stzlinx.de/baugemeinschaft2. Die Gruppe hat zudem eine Homepage mit der Adresse: http://baugemeinschaftbernstein.de.

Baugemeinschaften

In Stuttgart sind Baugemeinschaften bisher eher rar. Bei der Stadt gibt es eine Stelle, bei der sich alle melden können, die sich fürs Thema Baugemeinschaft interessieren, Ansprechpartner ist Michael Kunert, Telefon 21 62 00 07. Es gibt aber auch eine Online-Kontaktbörse unter www.stuttgart.de