Es brennt an der Grenze: Wütende französische Bauern blockieren mit Traktoren die Rheinbrücke ­zwischen Kehl und Straßburg Foto: dpa

EU-Bürokratie und weltweite Dumping-Preise für Lebensmittel – die elsässischen Bauern haben die Nase voll. Mit Blockaden entlang der deutsch-französischen Grenze wollen sie den Verantwortlichen Feuer unter dem Hintern machen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Kehl/Straßburg/Paris - Es brennt, und zwar gehörig. Beißender Qualm steigt in die Luft, es ist heiß, und trotz des kühlen Windes wird es noch heißer: Ein erboster französischer Bauer wuchtet einen riesigen Traktorreifen in das Lagerfeuer, das seit dem frühen Montag an der Kehler Europabrücke an der deutsch-französischen Grenze brennt. Kleinere Reifen schwelen bereits seit Stunden.

Die Stimmung der Bauern ist düster, sie protestieren – gegen viel zu niedrige Preise, die sie für ihre Lebensmittel, für Fleisch, Milch oder Obst, bekommen. Gegen die hohen Lohn- und Sozialkosten in Frankreich, mit denen sie sich nach eigenen Worten nicht gegen deutsche und andere Konkurrenz wehren können. Und vor allem gegen die Agrarpolitik der EU insgesamt.

„Wenn ihr unsere Preise drückt, dann lassen wir eure Produkte nicht mehr ins Land“, lautet das Motto, unter dem französische Landwirte an mehreren Grenzübergängen nach Deutschland und Spanien Barrieren aufgebaut haben, um Lastwagen mit Agrarprodukten an der Einreise zu hindern. Zwischen Frankreich und Deutschland wurden an sechs Verbindungsstrecken Laster angehalten. Einer der Organisatoren sagte, 300 Lkw seien zurückgeschickt worden. Mit Traktoren wurde eine Spur der Europabrücke beim grenznahen Kehl blockiert.

Auch an der Grenze zu Spanien stoppten die wütenden Landwirte Transporter. Autos ließen sie allerdings ebenso passieren wie die aus Frankreich kommenden Fahrzeuge.

Damit protestierten die regionalen Ableger des Bauerndachverbandes FDSEA und der Gewerkschaft „Junger Landwirte“ gegen die als unfair empfundene Konkurrenz aus den EU-Nachbarländern. Franck Sander, der Regionalvorsitzende der Landwirtsgewerkschaft FDSEA im Unter-Elsass, forderte die Politik dazu auf, „konkrete Lösungen gegen die Wettbewerbsverzerrung“ zu finden. Er beklagte, dass es in Frankreich zu viele Normen gebe und die Arbeitskosten im Vergleich zu Deutschland zu hoch seien, wo billigere Erntehelfer aus Osteuropa eingesetzt werden.

Sinkende Preise vor allem von Fleisch- und Milchprodukten

Schon seit mehr als einer Woche machen die Bauern mit Protestaktionen im ganzen Land auf die wirtschaftlichen Probleme ihrer Branche durch sinkende Preise vor allem von Fleisch- und Milchprodukten aufmerksam und lösen immer wieder Verkehrschaos aus. So blockierten sie Autobahnen und Mautstellen, wichtige Verkehrsachsen um die Städte Caen, Lyon und Clermont-Ferrand sowie den Zugang zum bei Touristen beliebten Klosterberg Mont-Saint-Michel in der Normandie. Nach Kontrollaktionen in Supermärkten wurden einige Parkplätze verwüstet und mit Gülle verschmutzt. „Esst französische Produkte“, forderten sie die Menschen auf Plakaten auf.

Die französische Regierung versprach in der vergangenen Woche nach einer eilig einberufenen Krisensitzung einen Hilfsplan im Umfang von mehr als 600 Millionen Euro mittels Lohngarantien und Steuererleichterungen. Premierminister Manuel Valls rief die Industrie und den Großhandel zu Preiserhöhungen auf. Am Montag versicherte Präsident François Hollande, die Regierung stehe auf der Seite der französischen Landwirte und werde das Thema auch beim europäischen Ministerrat Anfang September verhandeln.

„Es gab die Befürchtung, dass die Sache mitten im Sommer hochkocht und gewalttätig wird“, vertraute ein namentlich nicht genannter Minister den Medien an. „Das kann sehr schnell gehen, die Bauern haben die Mittel, einiges zu blockieren.“

Trotz der Hilfsmaßnahmen wollen diese den Druck aufrechterhalten. Einer Erhebung der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge stieg ihr Durchschnittseinkommen zwischen 2005 und 2014 nur um sechs Prozent an – gegenüber 34,5 Prozent in der EU insgesamt. War Frankreich in den 90er Jahren noch der zweitgrößte Exporteur von Agrarprodukten weltweit, so rangiert es inzwischen auf dem fünftem Platz hinter den USA, der Niederlande, Deutschland und Brasilien, und auch das nur dank des hohen Anteils von Wein und Spirituosen.

Der Grünen-Politiker Friedrich Ostendorff forderte einen deutsch-französischen Agrargipfel. „Die Lage ist auf beiden Seiten der Grenze dramatisch. Die Fachminister aus den beiden Ländern müssen sich jetzt zusammensetzen“, sagte der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag. Am Ende müsse herauskommen, dass Bauern nicht weiter gnadenlos produzierten. „Die Märkte sind übervoll“, sagte Ostendorff.