Szene aus der Inszenierung der „Bauernoper“ an der Landesbühne Esslingen Foto: Patrick Pfeiffer

Der Bauernkrieg als Musical, das sich nicht scheut, in Kabarett und Klamauk überzugehen: Yaak Karunkes „Bauernoper“ an der Landesbühne Esslingen.

Esslingen - Sie wanken voran, sie stürzen: Schemen vor tiefblauem Hintergrund. Die Eröffnungsszene nimmt die Schlussszene vorweg, wenn Yaak Karsunkes „Bauernoper“ von der Württembergischen Landesbühne Esslingen gespielt wird: Der Bauernkrieg endet mit Massenhinrichtungen. Der blaue Hintergrund wird in den kommenden zwei Stunden an dieses Ende erinnern, während die Schauspieler in einem anderen Licht die Bauernoper spielen, dieses volksnahe, oft derbe, respektlose und satirische Kaleidoskop der Ereignisse der Jahre 1524 und 1525.

Karsunke schrieb sein Stück 1972 als Auftragsarbeit für das Landestheater Tübingen. Seither ist die Bauernoper mehrfach aufgeführt worden. So auch 2003 anlässlich des 750. Jubiläums der Stadt Böblingen, des Schauplatzes einer entscheidenden Schlacht des Württembergischen Bauernkrieges. In Esslingen hat Pavel Mikulastik das Stück mit einem vergleichsweise kleinen Ensemble inszeniert – elf Schauspieler, die mal Bauer, mal Graf sind. Das Ensemble spielt mit Energie, die häufigen Rollenwechsel geben den vielen einzelnen Figuren aber kaum Raum.

Provokant an Karsunkes Stück war seinerzeit, dass es die Bauern selbst in den Mittelpunkt des Geschehens stellte, und auch heute noch überzieht die Bauernoper den Klerus und den Adel mit bitterem Spott: Hier gibt es viel boshaft zu lachen. Eine Bäuerin besorgt es einem Bauern nebenbei auf den Barrikaden, die dicken Bürgerfrauen stoßen mit ihren runden Wansten an, der Puder rieselt aus der Perücke, und als die Barockkleider herunter sind, hüpfen sie über die Bühne, eingenäht in Fettwülste aus Stoff.

Droben, über den Köpfen der Bauern, prosten sich die Räte mit Biergläsern aus Pappe zu und schwingen die dicken Keulen. Herzog Ulrich ist eine Kasperlpuppe, ein Paar trabt huckepack vorbei, als Pferd mit einem Gesäß aus Korb, zwei Mönche übereinandergestellt und in eine lange Kutte gesteckt ergeben einen, der großzügig den Zehnten hinter sich wirft. Katrin Buschings Kostüme sind opulent, Frank Chamiers Bühne dagegen ist funktionell: Fünf verwitterte Klapptüren verwandeln sie in Burg oder Keller, an ihren Seiten zwei Podeste für die Musiker. Peter Janssens, auch bekannt als Komponist christlicher Popsongs, schrieb die Originalmusik zur Bauernoper – die Schauspieler singen, stürmen an den Bühnenrand, kämpfen in Zeitlupe, raufen, schlagen sich, sie schimpfen: „Soll’s nur Bauernwitwen geben? Es könnten auch ein paar reiche Weiber dabei sein.“

Die Esslinger Bauernoper ist ein Musical, das sich nicht scheut, in Kabarett und Klamauk überzugehen, um die Geschichte des Bauernaufstandes unterhaltsam und mit zeitgemäßer Leichtigkeit zu erzählen, das zuletzt aber zurückkehrt ins blaue Leuchten, den Tumult in Bildern erschütternder Eindringlichkeit enden lässt: Dem Bauernführer rinnt das Blut über das Gesicht, und da liegen sie wieder, die Toten.