Bascha Mika Foto: dpa

Die Autorin Bascha Mika findet, die Frauen sind viel zu bequem für die Emanzipation.

Berlin - Längst könnten Frauen gleichberechtigt sein - so die These von Bascha Mika, langjährige Chefredakteurin der Tageszeitung "taz". Doch sie nehmen sich ihre Rechte nicht. Stattdessen fallen sie zurück in alte Rollenmuster, verstecken sich hinter Kindern, Männerkarrieren und Pilates-Kursen.

Zuerst fällt die Reklame für eine "bügelfreie Wolldehnhose" und "das Ausstatterhemd, das immer extraglatt ist" aus dem "Spiegel"-Heft. Nur das Beste für den Geschäftsmann der Moderne. Die Titelseite selbst ziert das computeranimierte Bild einer Frau im Hosenanzug mit Aktenordnern auf dem Arm, die entschlossen auf die Überschrift blickt: "Warum Deutschland die Frauen-Quote braucht". Für jeden also etwas dabei in diesem Heft.

Zur gleichen Zeit in Berlin: Bascha Mika hat es geschafft. Ihr neues Buch ist im Druck, die Termine für die ersten Lesungen stehen. Zusammen mit Heide Simonis wird die ehemalige Chefredakteurin der linken Tageszeitung "taz" auftreten, mit der früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin also - mit der ersten Frau an der Spitze eines Bundeslandes. Mit der Quotenfrau in diesem Amt. So wie sich auch Rita Süßmuth (CDU), Annemarie Renger (FDP) und Angela Merkel (CDU) in noch gar nicht so fernen Zeiten gefallen lassen mussten, Quotenfrau genannt zu werden, als sie zunächst in ihren Parteien und später als Bundestagspräsidentinnen beziehungsweise Generalsekretärin, Parteichefin und Kanzlerin zu Amt und Würde kamen.

Ob Angela Merkel auch wegen der eigenen Biografie keine Quotenregelung per Gesetz will, mag Spekulation sein. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Familienministerin Kristina Schröder (CDU) dagegen würden gern eine Quote für Aufsichtsräte und Vorstände verabschieden.

Die oftmals so schnöde wie spröde wirkende Physikerin Merkel hat sich im politischen Leben auf recht spektakuläre Art durchgesetzt und jedem, der daran Zweifel hatte, gezeigt, dass sie "Macht kann": Sie betrat die gesamtdeutsche Politikbühne als krasse DDR-Außenseiterin und ist heute eine der mächtigsten Frauen der Welt. Ihren größten Förderer, Altkanzler Helmut Kohl, stellte sie schließlich selbst politisch kalt. Und nach ihm andere Konkurrenten, Strippenzieher und Neider.

Baden-Württembergs Grünenchef Winfried Kretschmann zitiert mit Inbrunst den früheren Ministerpräsidenten Erwin Teufel des Landes, wenn er auf seine Ambitionen auf den Regierungsposten angesprochen wird: "Das Amt kommt zum Manne, nicht umgekehrt." Freilich meint Kretschmann damit, dass es in den Händen der Wähler liegt, ob er regiert oder nicht. Und wie klingt da: "Das Amt kommt zur Frau, nicht umgekehrt?" Fügung gewiss wäre auch das. Immerhin sind 32 Prozent aller Bundestagsabgeordneten Frauen.

Mika hält den Glauben an Fügung für feige. "Die Feigheit der Frauen" heißt darum ihr Buch, und darin schreibt sie sich auch jenen Frust von der Leber, der sich anhäufte, seit sie Frauen beim Versuch des Karrieremachens beobachtet. Frust, weil es allzu oft überkommenes Denken und althergebrachte Strukturen sind, die Frauen fernhalten von all dem, was in noch so kleinen, mittleren und erst recht großen Konzernen Macht, Einfluss und Renommee bedeutet. "Selbstverständlich hindern uns solche Strukturen; die sind Mist", sagt sie. Aber, ganz Frau, weiß sie, dass immer zwei dazu gehören, damit die Wirksamkeit solcher Strukturen überdauert: einer, der den Status quo vorgibt, und eine, die das mit sich machen lässt; sei es gedankenlos, resigniert oder Galle spuckend.

"Studierte und ausgebildete Frauen wissen alles, können alles. Doch wir nutzen es nicht. Wir bleiben ständig unter unseren Möglichkeiten und vergeuden unsere Potenziale - im persönlichen Bereich wie im gesellschaftlichen. Das ist eine Schande."

Also ran an den Speck, ohne die Maus zu fragen - und ohne die Strukturen zu ändern? Nein, so auch nicht, nicht mehr, winkt Bascha Mika annähernd genervt ab. Das koste nur Energie und bringe nicht viel, weil die Männer mit den alten Strukturen gut führen und nichts ändern wollten. "Wir haben vierzig Jahre nur an den Strukturen gearbeitet - passiert ist kaum etwas. Wenn ich dreimal gegen eine Wand laufe, dann überlege ich mir doch eine andere Richtung, um ans Ziel zu kommen."

Doch die Gretchenfrage gehört zuerst gestellt: Um welche Frauen geht es Bascha Mika tatsächlich?

Richtig: nicht um die Frauen. Nicht um alle Frauen. Also cool bleiben, die Damen und Herren.

Also: Um welche Frauen geht es ihr?

Um das Gros der Alleinerziehenden etwa, die sich in entbehrungsreichen Jahren zwischen Teilzeitarbeit und Kinderfürsorge finanziell und nervlich aufreiben? Nein, die sind das genaue Gegenteil von feige.

Erst recht nicht um Frauen, die nicht auf ihren Chef warten wollen, sondern ihre Ansprüche anmelden und einfordern - die findet Bascha Mika vorbildlich.

Um Frauen also, die erst mit Leistung zu überzeugen versuchen und fortan ihre Rechte mithilfe von Gleichstellungsbeauftragten und Antidiskriminierungsvorschriften einklagen? Nun ja, die lassen zumindest schon mal andere für sich kämpfen.

Um Frauen, denen diese ganze aufgedrückte Hierarchie-Chose in Endlosschleife auf die Nerven geht und nur auf den Tag warten, bis ihnen eine Frauenquote Anerkennung verschafft? Schon eher.

Oder um jene Frauen, die guten Glaubens darauf warten, dass die Chefs ihr Können erkennen, sie verdammt noch mal fördern - und die dabei verheizt werden? Ja.

Bascha Mika geht es um diesen einen sehr speziellen Typ Frau, der frei, unabhängig und selbstbestimmt leben will und doch im entscheidenden Moment kneift. "Mich interessiert die Feigheit der Frauen - warum sie letztlich doch nicht so mutig sind, wie sie es eigentlich wollen." Diese Frauen übernähmen lieber Verantwortung für andere als für sich selbst.

"Ich überspitze und polemisiere, um das Problem deutlich zu machen", sagt Bascha Mika. "Kategorien wie Mut und Feigheit sind zwar so ein bisschen aus dem Abenteuerroman entlehnt, ich finde sie aber notwendig. Denn obwohl Frauen inzwischen alle Chancen und Wahlmöglichkeiten haben, brauchen sie auch heute noch Mut - der Sog und der Druck der alten Rollen ist sehr stark." Mika kennt die Einwände, weiß, dass sich Frauen oft verheddern: Sie übernehmen immer mehr Aufgaben und moderne Rollen, ohne sich zugleich von alten zu verabschieden. Männer entlasteten sich dagegen von allein, wenn es ihnen zu viel würde. Aber eins will Mika nicht entschuldigen: "Nur um den Konflikt zu scheuen, sollte sich niemand unterwerfen und seinen Lebensentwurf aufgeben." Frauen aber wählten oft "ein kommodes Leben und suchen sich Jobs nicht danach aus, ob sie Geld bringen, mit dem sie sich Unabhängigkeit erkaufen könnten".

Ist Bascha Mika, die über Jahre die einzige Chefredakteurin einer überregionalen Tageszeitung war, für die Frauenquote? "Nur als Krücke. Wenn die Frauen ohne laufen können, ist die Krücke nicht mehr nötig." Ursula von der Leyen springt ihr bei: "Es gibt zwei Karrierewege - die Männer gehen den direkten Weg des Navigationssystems Jobwelt, während die Frauen über Ecken und Umwege auf die Pistenstrecken ausweichen müssen." Obwohl es mehr weibliche als männliche Hochschulabsolventen gibt und Frauen die besseren Abschlüsse haben. "Darum die Quote", sagt die Ministerin. Die hilft, die gläserne Decke in die Chefetage zu sprengen.