Die Tänzer Marijn Rademaker (re.) und Magdalena Dzieglielewska Foto: dpa

So viel Abschied war schon lange nicht mehr beim Stuttgarter Ballett: Evan McKie, Maria Eichwald und Filip Barankiewicz, alles Solisten, die sich durch einfühlsame Interpretationen der großen Stuttgarter Rollen einprägen, verbeugten sich ein letztes Mal als Mitglieder der Kompanie.

Stuttgart - Von ihrem Ende aus betrachtet, hinterlässt die abgelaufene Saison des Stuttgarter Balletts Eindrücke voller Wehmut: So viel Abschied war schon lange nicht mehr. Evan McKie, Maria Eichwald und Filip Barankiewicz, alles Solisten, die sich durch einfühlsame Interpretationen der großen Stuttgarter Rollen einprägen, verbeugten sich ein letztes Mal als Mitglieder der Kompanie. Auch andere vertraute Gesichter wie Brent Parolin und Petros Terteryan werden fehlen.

Aber klar ist auch: Vor Mangel an tänzerischem Talent muss sich Reid Anderson nicht fürchten; dank der John-Cranko-Schule kann der Intendant des Stuttgarter Balletts aus dem Vollen schöpfen. Und so machte in dieser Spielzeit eine Nachricht die größte Freude, die nicht auf, sondern neben der Bühne spielte: Im Dezember brachte die Porsche AG als Hauptsponsor des Stuttgarter Balletts den lange diskutierten Neubau der Cranko-Schule, der auch die Probensituation der Kompanie verbessern soll, mit einer Zehn-Millionen-Euro-Spritze einen entscheidenden Schritt voran.

„Fort//Schritt//Macher“ hieß einer von vier Ballettabenden, mit der diese Spielzeit neben den großen Handlungsballetten auffallend viel Neues brachte. Fünf Uraufführungen gab es insgesamt – eine für große Kompanien wie die Stuttgarter große Zahl. Doch nicht nur quantitativ tanzt man ganz vorn mit. Auch qualitativ bleiben die Stuttgarter mit einer Riege kreativer Köpfe Schrittmacher. Allen voran Marco Goecke. Der Haus-Choreograf des Stuttgarter Balletts ist einer der wenigen seines Metiers mit einer ganz eigenen Handschrift, einer, der sich auch im Kontext eines William Forsythe, eines Hans van Manen behaupten kann. International begehrt, gelang ihm daheim mit „On velvet“ ein sehr persönliches Stück, das Bilanz zieht, Ängste flirrend formuliert – und doch vor Lust am Tänzerischen fast explodiert.

Für Aufmerksamkeit sorgte auch die Konstellation des Abends „Fahrende Gesellen“, der zwei Uraufführungen um das titelgebende Duett Béjarts gruppierte: Edward Clug, einziger Gast-Choreograf in dieser Saison, fragte in „No Mens Land“ mit Bildgewalt und Augenzwinkern, was den Mann zum Mann macht. Demis Volpi setzte für „Aftermath“ ausschließlich auf Tänzerinnen, die mit nachdrücklichem Toc-Toc-Toc des Spitzenschuhs und einem beeindruckenden Solo die Frage stellten, was Kunst uns heute bedeutet.

Douglas Lees nur wenige Male getanzte „Miniatures“ brachte der Abend „Tanzlabor“ zurück, dazu traten neu „Rausch“ von Louis Stiens und „A. Memory“ von Katarzyna Kozielska: drei Stücke, die das tänzerische Potenzial des Stuttgarter Balletts in seiner Vielseitigkeit zeigten. Die Unerschrockenheit, mit der Katarzyna Kozielska den Dialog mit der bildenden Kunst suchte, wurde durch stimmungsvolle Bühnenmomente belohnt. Ob im Austausch mit Komponisten oder Künstlern: So inspirierend wie in dieser Saison wünscht man sich die Stuttgarter immer. „Made in Germany“ hieß der Gala-Abend, der zu Beginn der Spielzeit für ein London-Gastspiel das kreative Potenzial der Kompanie zusammenfasste und in erster Linie eines war: Made in Stuttgart.