Der Betrieb ruht wieder im Herrenberger Naturfreibad. Foto: factum/Weise

Im Vergleich zu Neckargemünd sind die Probleme mit dem Herrenberger Naturfreibad ein Sommerregen. Die Gemeinde prozessiert wegen ihres Bades seit sechs Jahren.

Herrenberg - Mit dem Fall Herrenberg „haben wir uns ellenlang befasst“, sagt Franz-Georg Scheffczyk. Wie mit anderen auch. Scheffczyk arbeitet als Abteilungsleiter im Stadtbauamt Neckargemünd. Gemessen an dem, was die nahe Heidelberg gelegene 13 000-Einwohner Gemeinde mit ihrem Freibad erduldet hat, erscheinen die Schwierigkeiten der Herrenberger mit ihrem Naturfreibad wie ein Sommerregen, also fast schon harmlos.

2008 ist ein Becken des Neckargemünder Terrassenfreibads auf ökologische Wasserreinigung umgerüstet worden. Die funktioniert im Prinzip wie die Natur: Wasser sickert durchs Erdreich und sammelt sich, von Mechanik und Mikroben gereinigt, als Grundwasser. Dieser Vorgang wird in den Öko-Filtern der Naturfreibäder nachgeahmt. Allerdings nicht immer mit dem gewünschten Ergebnis. Seit dem Umbau musste das Becken des Terrassenfreibads regelmäßig gesperrt werden, wegen Gesundheitsgefahr durch den Bakterienstamm Pseudomonas aeruginosa. Während der Sommersaison 2015 war es sogar die Hälfte aller Tage unbenutzbar.

Das Naturbad bleibt diesen Sommer geschlossen

Am Montag hatte die Herrenberger Verwaltungsspitze entschieden, das Naturbad diesen Sommer nicht mehr zu öffnen. Der Grund war derselbe wie in Neckargemünd. Wie stets in Herrenberg, wenn eine zeitweilige Schließung beschlossen wurde: Die Konzentration der Pseudomonaden lag über dem zulässigen Grenzwert. Gleiches gilt zwar für natürliche Badeseen nahezu grundsätzlich. Pseudomonaden kommen in jedem heimischen Badezimmer wie auch in Krankenhäusern vor. Überschritten wurde die Grenze in Herrenberg auch nur an einer Stelle im Becken, aber wie immer sollte jedes Risiko ausgeschlossen werden.

Das Problem besteht bereits seit der Eröffnung des Naturfreibads im vergangenen Jahr. Eine umfangreiche Ursachenforschung gemeinsam mit den beiden Planungsbüros Wasserwerkstatt aus Bamberg und Polyplan aus Bremen schien zwar immer wieder einen Mangel aufzudecken, aber letztlich brachte keine der Nachbesserungen den Durchbruch. Daran änderte auch nichts, dass die Stadt im vergangenen Winter eine Liste mit 73 Punkten zur Verbesserung des Bades abarbeiten ließ.

In Neckargemünd trifft sich die Stadtverwaltung mit dem Planer und Erbauer des Terrassenbades seit nunmehr sechs Jahren regelmäßig vor Gericht. Es geht um einen Streitwert von 1,1 Millionen Euro. „Zum schwebenden Verfahren“ will Scheffczyk keine Auskunft geben, allerdings „sind wir der Meinung, dass das, was uns angeboten wurde, nicht funktionieren kann“.

Ein Gutachten hatte verschiedene Baumängel ergeben. Einer von ihnen ist behoben. Im Kanalsystem zwischen Filter und Becken fehlten Öffnungen, durch die rechtwinklige Verbindungen gereinigt werden konnten. Die Gemeinde hat sie zum Jahreswechsel nachrüsten und die Leitungen spülen lassen. Seitdem scheinen die Probleme zumindest gemildert. Die juristische Gegenseite hält falsche Bedienung für den entscheidenden Faktor. Naturfreibäder erfordern erheblich mehr Reinigung und Wartung als mittels Chlor desinfizierte.

Der Verdacht auf Baumängel keimt

In Herrenberg soll noch in dieser Woche eine Krisensitzung mit den beiden Planungsbüros einberufen werden. Die wird dadurch erschwert, dass der Polyplan-Geschäftsführer Stefan Bruns erst am Donnerstag aus dem Urlaub zurückkehrt. Deshalb war von dem Unternehmen keine Stellungnahme zu bekommen. „Wir haben ein gutes Verhältnis zu den Planern“, sagt die Finanzbürgermeisterin Gabrielle Getzeny. Das könnte sich ändern. Bisher hat die Verwaltungsspitze auf die Frage nach Schadenersatz stets abgewunken. Nun „werden Regressforderungen geprüft“, sagt Getzeny. In welcher Höhe ist offen, auch, ob sie geltend gemacht werden. Im Herrenberger Rathaus herrscht inzwischen ebenfalls der Verdacht, dass Baumängel die Ursache der Bakterienbelastung sind. Ein Gutachten soll ihn erhärten oder entkräften.

Die Wasseraufbereitung stammt vom Büro Polyplan. Das gilt in Neckargemünd nicht als Sünder, sondern als Retter. Jenes Mängel-Gutachten hat ebenfalls das Bremer Unternehmen erarbeitet. Seit das Kanalsystem nachgerüstet ist, „haben wir keine Schwierigkeiten mehr“, sagt Scheffczyk. Das heißt: Das Becken musste diese Saison lediglich eine Woche lang gesperrt werden. Zeitweilige Schließungen seien „für Naturbäder normal“. Bei andauernder Hitze und regem Besuch ist die ökologische Reinigung gelegentlich schlicht überfordert, meint Scheffczyk. „Das sagen uns die Planer, und so steht es in der Fachliteratur“.