Die Geduld der Bahnreisenden wird auf Nebenstrecken wie zwischen Heilbronn und Stuttgart auf eine harte Probe gestellt. Foto: dpa

Die versprochenen Verbesserungen auf den Nebenstrecken wie von Heilbronn nach Stuttgart bleiben aus. Die Fahrgäste sammeln jetzt Unterschriften, die Bahn wird vom Ministerium in die Pflicht genommen.

Ludwigsburg - Jeden Tag fährt Alfred Gramling von Besigheim nach Esslingen. Allerdings klappt es m meistens nicht so, wie er sich das vorgestellt hat. Gramling wohnt in Besigheim und will bewusst auf das Auto verzichten. Doch er gerät ins Zweifeln. „Seit Jahren stehe ich morgens am Bahnsteig und schüttele den Kopf“, erzählt er, „schon wieder kein Zug.“ In Stuttgart fährt ihm regelmäßig wegen Verspätung der Regionalbahn die S-Bahnlinie S 1 vor der Nase weg. Auch wenn alles klappt, macht das Bahnfahren keinen Spaß: „Die Züge sind überfüllt, die Türen schließen nicht, die Wagen sind verdreckt.“

Alfred Gramling hat für sich eine interessante Rechnung aufgemacht: „Pro Jahr gehen bis zu 120 Stunden durch Verspätungen und Ausfälle verloren. Das sind 15 Arbeitstage oder ein dreiwöchiger Urlaub, den ich auf Bahnsteigen verbringe.“ Er ist mit seinem Ärger nicht allein. Schon seit Monaten häufen sich wie berichtet Beschwerden auf den Nebenstrecken in Baden-Württemberg, etwa auf der Remsbahn nach Aalen oder auf der Strecke nach Tübingen/Reutlingen.

Noch vor wenigen Wochen hat ein Bahnsprecher angekündigt, dass zum 1. Oktober alles besser werden würde: Die alten „Silberlinge“ sollten durch moderne Wagen ersetzt werden. Doch viele Pendler erkennen keine Fortschritte, ganz im Gegenteil. Alfred Gramling hat sich mit Birgit Schneider und Heiner Blasenbrei-Wurtz aus Besigheim zu einer Protestgruppe zusammen getan. In einem Schreiben an die Bahn, Verkehrsverbünde und Landräte listen sie die Probleme schonungslos auf.

„Die Situation hat sich seit 1. Oktober wesentlich verschlechtert“, heißt es dort. Die Bahn habe statt moderner alte, verdreckte Doppelstockwagen eingesetzt, die auf anderen Strecken aussortiert worden seien. Das Protokoll eines Pendlers dokumentiert vom 4. bis 18. Oktober acht Ausfälle, fünf Mal völlig überfüllte Züge, weil zu wenig Wagen eingesetzt waren, lange Verspätungen bis zu 50 Minuten oder häufig fehlende Erste-Klasse-Abteile.

Eine Unterschriftenaktion am 20. Oktober in einer Regionalbahn hat in kürzester Zeit 100 Teilnehmer gefunden. „Würden wir in Stuttgart sammeln, wären es ganz schnell 1000 Unterschriften“, sagt Gramling. Auch der landesweite Fahrgastbeirat springt den Bahnkunden bei. „Seit dem 1. Oktober ist nochmals ein Tiefpunkt erreicht worden“, sagt der Vorsitzende Matthias Lieb. Er fordert nach österreichischem Vorbild Entschädigungen im Wert einer Monatskarte, wenn im Lauf des Jahres die Pünktlichkeit nicht gegeben ist.

Die Bahn muss wöchentlich zum Rapprt und täglich berichten

Das Verkehrsministerium in Stuttgart hat bereits Mitte Oktober reagiert – und bestellt die führenden Bahn-Manager des Landes jeden Dienstag zum Rapport. Dazu kommen täglich Telefonkonferenzen mit den Verantwortlichen. „Wir sind nicht bereit, diese Zustände länger hinzunehmen“, erklärt Edgar Neumann, der Sprecher von Minister Winfried Hermann (Grüne).

Am 25. Oktober haben sich Bahn und Ministerium auf ein Paket geeinigt, um die Probleme zu entschärfen. So sollen zusätzliche Zugbegleiter und Lokführer eingesetzt werden, um Türstörungen zu kompensieren. „Ein Problem ist, dass die Technik der Wagen nicht miteinander kompatibel ist, weil sie aus verschiedenen Bundesländern stimmen“,ein Bahnsprecher. Die Bahn hat zudem zugesagt, mit mehr Personal die Information der Kunden zu verbessern. Stammkunden sollten „unbürokratische Kompensationen“ erhalten.

Der DB-Sprecher kündigt zum Fahrplanwechsel im Dezember Verbesserungen an, bis in den Frühjahr kämen nach und nach moderne Wagen aus den Werkstätten. Generell sei die Grippewelle vorbei – die Personalengpässe seien behoben. Auch weil einige Auszibildende fertig seien. Allerdings gebe es weiterhin Mängel bei der Technik.

Das erste Wochentreffen im Ministerium zu Kontrolle der Bahn fiel wegen des Feiertages 1. November aus, am Dienstagabend kam die Runde erstmals zusammen, um eine erste Bilanz zu ziehen. Über Ergebnisse ist noch nichts bekannt.