Es ist beliebt, das neue Bäckercafé an der Degerlocher Einkaufsmeile. Foto: Sägesser

Bäckereien sind heutzutage viel mehr als eine Theke, über die Plunder und Brötchen verkauft werden. Mit ihren Sitzecken mausern sie sich zu wichtigen Treffpunkten und sind daher Konkurrenz für herkömmliche Cafés.

Filder - Gerda Lutz kommt vom Schwitzen. Wie immer donnerstags. Und wie immer donnerstags geht sie nach dem Sport zum Bäcker an der Epplestraße. Dort gibt es Bauernbrot, Brezeln – und Müßiggang. Die 65-jährige Frau aus Degerloch und ihr Mann sind Fans des neuen Bäckercafés. Deshalb sitzen sie drei-, viermal die Woche dort. Seit sie in Rente sind, „lassen wir es etwas ruhiger angehen“, sagt Gerda Lutz. Und dazu gehört, gemütlich durch Degerloch zu flanieren, einen Kaffee zu trinken und Leute zu gucken. „Eigentlich ist Degerloch wie ein Dorf“, sagt sie.

Flippige Wände, modernes Aussehen

Dörfer haben in der Regel Treffpunkte, und in Degerloch gehört das neue Bäckercafé ganz offensichtlich dazu. Dort herrscht, vor allem um die Mittagsstunden, reger Betrieb. Die Bäckerei Treiber aus Steinenbronn hat die Filiale im vergangenen Jahr eröffnet. Die Wände sind flippig angemalt, und auch ansonsten kommt das von der Backtheke abgegrenzte Café modern daher. In der Mitte steht ein langer Tisch, um den sich mehr als ein Dutzend Leute scharen können. Gerda Lutz beobachtet oft Mütter, die sich hier in großer Runde treffen „und sich köstlich amüsieren“, wie sie erzählt. Reservieren geht nicht, wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Bestanden Bäckereien einst aus einer Theke und allenfalls ein, zwei Stehtischen, sind sie heutzutage mehr: Mit ihren mehr oder weniger großen Sitzecken mausern sie sich zu beliebten Treffpunkten. In Plieningen zum Beispiel hat die Reutlinger Bäckerei Keim vor Kurzem eine Filiale samt Café eröffnet. Seitdem lädt zum Beispiel die Seniorengemeinschaft Plieningen-Birkach immer wieder zu Treffen dorthin ein. In Sillenbuch gibt es seit 2012 ein Treiber-Café an der Kircheimer Straße, nur ein paar Schritte von der Eisdiele Timone. Und seit vergangenem Jahr eben das Bäckercafé an der Degerlocher Einkaufsmeile.

Bäckereien haben viele Konkurrenten

Der Trend gehe zum Verweilen, sagt Katharina Fischer, Prokuristin bei der Bäckerei Treiber. Zudem würden sich Brot und Brötchen nicht mehr so gut verkaufen wie früher. „Wir haben größere Konkurrenz“, sagt Katharina Fischer. Seien es Discounter, Billigbäcker oder Tankstellen. „Wir wussten: Wir müssen mehr machen“, sagt sie. Dass sie damit alteingesessenen Cafés das Leben schwer machen, weiß Katharina Fischer. „Aber Selbstbedienung ist ja auch nicht jedermanns Sache“, sagt sie.

Wer zu Klaus Winkler ins Café Rosenstöckle kommt, der will Kaffee und Kuchen gerne an den Tisch gebracht bekommen. „Wenn ich wohin gehe, dann möchte ich auch bedient werden“, sagt der 52-jährige Konditormeister mit hessisch gefärbten Worten. „Dieses Schnelle, das mag ich gar nicht.“ Es ist kurz vor Mittag, und der Chef kocht gerade die Schinken-Käse-Soße fürs Tagesessen. Draußen in der Theke warten Spinatkuchen und Kümmelbrezeln auf hungrige Mäuler. Im Café sitzt noch niemand, zwei der acht Tische sind für 15 Uhr reserviert. Passend zum Namen ist im Rosenstöckle alles in Rosenrot gehalten, sogar die Schürze des Chefs.

Im Café Rosenstöckle zählt die Tradition

In dem Sillenbucher Konditorei-Café zählt zweifellos die Tradition. Klaus Winkler führt den Betrieb an der Tuttlinger Straße seit 2000, vorher hat er schon jahrelang im Rosenstöckle gearbeitet. Er kennt die Geschichte. Und wenn er etwas nicht mehr weiß, dann fragt er die ehemalige Chefin Waltraud Beißwenger. Die hat ein ganzes Fotoalbum voller Erinnerungen. Das Rosenstöckle gibt es seit 1950.

Klaus Winkler lebt vor allem vom persönlichen Draht zu den Gästen, von seinen Stammkunden. „Die Leute, die unsere Kuchen einmal verschmeckt haben, kommen immer wieder“, sagt Klaus Winkler. Früher ließen sich zu Wochenbeginn nur wenige Leute im Rosenstöckle blicken, gegen Wochenende wurden es mehr. „Heute kann man’s gar nicht mehr einschätzen“, sagt er. Dass 2012 oben an der Kirchheimer Straße ein Bäckercafé eröffnet hat, hat er in seiner Bilanz zu spüren bekommen. „Zurzeit habe ich das Gefühl, dass das Geschäft wieder mehr wird“, sagt er.

Die Unverbindlichkeit als Vorteil

Gerda Lutz aus Degerloch weiß die Unverbindlichkeit der Bäckerei zu schätzen, die Mischung aus herkömmlichem Café und To-go-Mentalität. Dass niemand komisch schaut, wenn sie auch mal nur eine Brezel isst – ohne Kaffee. „Ich kann es mir so gestalten, wie ich es haben möchte“, sagt die Rentnerin. Am Nebentisch sitzen drei Schülerinnen und wischen über ihre Smartphones, zwei Frauen philosophieren über Kultur, und am langen Tisch sitzt ein einzelner Herr und liest Zeitung. „Heute ist es verhältnismäßig leer“, sagt sie. Wenn das jemand behaupten kann, dann Gerda Lutz, sie kommt ja jeden Donnerstag.