Gerade im Fach Deutsch zeigen die Schüler aus Baden-Württemberg erhebliche Schwächen. Foto: dpa

Die jüngste Bildungsstudie stellt der Schulpolitik ein schlechtes Zeugnis aus. Kultusministerin Susanne Eisenmann will die Ergebnisse prüfen und dann an die Aufräumarbeiten gehen. An den Gemeinschaftsschulen rüttelt sie nicht.

Berlin - Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat sich nicht dazu geäußert, ob sie ihre eigenen Zeugnistage in guter Erinnerung hat. Aber am Freitag in Berlin hat sie eine so kritische Beurteilung der Schulpolitik im Südwesten entgegennehmen müssen wie keiner ihrer Vorgänger. Baden-Württemberg – war das bei den internationalen Pisa-Vergleichen und innerdeutschen Untersuchungen nicht ein Musterschüler, der zuerst mit Bayern, dann mit Sachsen und später mit Thüringen einen Platz in der Spitzengruppe sicher hatte? Ja, das war so – und es war einmal.

Jetzt ist der Südwesten der große Verlierer beim Ländervergleich des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), quasi dem deutschen Pendant zur Pisa-Studie. Dabei wurde geprüft, wie gut die Neuntklässler in Deutsch und Englisch sind. Während im Rest der Republik die Bemühungen der vergangenen Jahre um einen besseren Unterricht Früchte getragen haben, zeigen die Balkendiagramme der Bildungsforscher um die IQB-Professorin Petra Stanat für Baden-Württemberg in fast allen geprüften Disziplinen nach unten: In Deutsch erreichen im Vergleich zur letzten IQB-Studie 2010 signifikant weniger Schüler beim Lesen, beim Hörverständnis und im Rechtschreiben das mittlere Leistungsniveau. Beim Lesen sind es noch 46 Prozent; der Bundesdurchschnitt liegt bei 48,4 Prozent. Der Spitzenreiter Sachsen glänzt sogar mit 58,5 Prozent.

In Baden-Württemberg fällt jeder vierte Neuntklässler durch

Bei den leistungsschwachen Schülern, die das Mindestniveau im Lesen nicht schaffen, liegt der Bundesdurchschnitt bei 23,4 Prozent; in Baden-Württemberg fällt statistisch jeder vierte Neuntklässler (25,7 Prozent) durch. Das ist eine relativ große Risikogruppe. Denn richtig lesen zu können ist nun einmal der Ausgangspunkt für jeden Bildungserfolg in allen anderen Fächern. Nur in Hamburg (25,8), Berlin (30,8) und Bremen (36,9) verfehlen noch mehr Schüler die Mindestanforderungen.

Beim Lesen und Zuhören in Englisch ist die Lage etwas besser. Im Südwesten stagnieren die Leistungen, während der Rest der Republik mehr oder weniger große Sprünge nach vorne gemacht hat. Beim Lesen und Verstehen englischer Texte erreichen im Land 39,2 Prozent das mittlere Kompetenzniveau; das ist leicht unter dem Bundesdurchschnitt (40,9 Prozent). Das Hörverständnis in Englisch liegt mit 42,8 Prozent ebenfalls leicht unter dem Durchschnitt von 44,1 Prozent.

Das bedeutet in der Gesamtschau, dass Baden-Württemberg zwischen 2010 und heute von einem Spitzenplatz in Deutsch auf Platz 12 im Lesen und Platz 14 beim Zuhören gefallen ist und in Englisch beim Lesen Rang sieben und beim Hörverstehen Rang acht belegt. Die erst seit wenigen Monaten amtierende Kultusministerin Susanne Eisenmann hat also einiges zu tun.

„Wir haben ein Qualitätsproblem an unseren Schulen

Bei der Präsentation der Studie am Freitag in Berlin lobte Eisenmann, die die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Claudia Bogedan aus Bremen, vertrat, zunächst das Bildungsmonitoring als bewährtes Instrument und den aktuellen Bericht als wichtige Handreichung für die Länder. „Wir haben ein Qualitätsproblem an unseren Schulen“, räumte sie für den Südwesten unumwunden ein. Es habe schon seit einiger Zeit negative Anzeichen gegeben. „Wir sind damit nicht zufrieden und werden mit Hochdruck, aber ohne Panik reagieren“, sagte Eisenmann. Die grün-roten Bildungsreformen der vorigen Legislaturperiode stellt sie nicht infrage. „Wir rütteln nicht an den 299 Gemeinschaftsschulen“, betonte sie. Es werde keine weiteren Diskussionen über Schulstrukturen geben.Zwar sind die Bildungsforscher traditionell zurückhaltend, wenn es darum geht, politische Schlussfolgerungen aus ihren Studien zu ziehen. Da machte auch Petra Stanat keine Ausnahme. Aber drei Hinweise ließ sie sich gerade auch angesichts der Erfahrungen im Südwesten entlocken: Erstens lohne es sich, die Qualität des Unterrichts in den Vordergrund zu stellen. Zweitens bringen nach ihren Erfahrungen Reformen – von denen gab es im Land viele, etwa die Einführung der Werkrealschulen und Gemeinschaftsschulen, den Ganztagsschulausbau und die Abschaffung der Grundschulempfehlung – immer Unruhe in ein Schulsystem. Und drittens wollte sie sich zwar nicht darauf festlegen lassen, dass die Politik generell am besten die Hand von Schulstrukturreformen lassen sollte. „Aber man braucht schon sehr, sehr gute Gründe, um da ranzugehen. Und einen langen Atem“, sagte Stanat.

Sie wird in den nächsten Wochen viel unterwegs sein, um die Forschungsergebnisse in den Bundesländern detailliert zu erläutern. Eine ihrer ersten Reisen geht nach Stuttgart, die Einladung hat sie schon.