Beim Kursaalgebäude in Bad Cannstatt sind die Rohbauarbeiten so gut wie abgeschlossen. Im August beginnt der Innenausbau. Noch liegen die Arbeiten im Kostenrahmen. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Peter-Michael Petsch

86 Stellplätze kosten mit 4,5 Millionen Euro fast doppelt so viel wie ursprünglich veranschlagt.

Stuttgart - Im Cannstatter Kurpark-Viertel gibt es jetzt mehr Platz für Autos. 86 Fahrzeuge passen in die neue Tiefgarage beim Kursaal, die nach 20-monatiger Bauzeit am Montag eröffnet wurde. Das unterirdische Parkdeck, das einen barrierefreien Zugang zum Kursaal bietet, entwickelte sich zum finanziellen Fiasko für den Steuerzahler. Statt 2,31 Millionen Euro, wie die Stadtverwaltung im Oktober 2006 berechnete, kosten die Stellplätze knapp 4,5 Millionen Euro. Die Kosten trieben laut Tiefbauamtsleiter Wolfgang Schanz teurere Rohbauarbeiten sowie eine Stromleitung, die aufwendig verlegt werden musste. Ob sich das Parkhaus rechnet, ist schwer vorherzusagen. Damit die Besucher der benachbarten Sportklinik die Anlage nicht links liegen lassen, kostet die Parkstunde nur einen Euro. Gäste des Cannstatter Mineralbads parken für einen Euro während der gesamten Badezeit. Zudem wurde ein oberirdischer Gratis-Parkplatz in der Nähe mit Parkscheinautomaten kostenpflichtig umgerüstet. „Wir hoffen auf gute Frequentierung bei diesen Preisen“, sagte Schanz. Anwohner befürchten dennoch, dass Sparfüchse in Wohnstraßen ausweichen.

Im Oktober 2007 war der große Kursaal wegen akuter Einsturzgefahr geschlossen worden. Die fällige Dachsanierung verknüpfte der Gemeinderat mit der Modernisierung und Erweiterung des historischen Gebäudes, das von 1825 bis 1841 als Badeanstalt erbaut wurde. Laut Ulrich Klenk sind die Rohbauarbeiten inzwischen fast abgeschlossen. „Im August beginnen die Innenausbauten“, so der Leiter des Hochbauamts. Man bewege sich im anvisierten Kostenrahmen von 8,3 Millionen Euro, versichert er.

Bereits jetzt brodelt der Streit über das künftige Nutzungs- und Betreiberkonzept für das Gebäudeensembles. Im Clinch liegen sich dabei pikanterweise zwei Cannstatter Christdemokraten. Auf der einen Seite steht der zuständige Finanzbürgermeister Michael Föll, der das Sanierungsobjekt bislang gern als Kongresszentrum durch in.Stuttgart vermarkten lassen würde. Die städtische Veranstaltungsgesellschaft betreibt unter anderem Porsche Arena, Schleyer-Halle und das Kongress- und Kulturzentrum Liederhalle. Der Kursaal würde das Tagungsangebot in Stuttgart im unteren Bereich abrunden. Gegenspieler von Föll ist der Cannstatter Bezirksvorsteher Thomas Jakob, der den Kursaal als Bürger- und Vereinszentrum mit dem Bezirksamt als Betreiber will. „Es ist unbestrittene Tatsache, dass dem größten Stuttgarter Stadtbezirk ein solches Zentrum dringend fehlt“, sieht Jakob das vielfältige Cannstatter Vereinsleben durch anhaltende Raumnot gefährdet. Positive Beispiele aus anderen Stuttgarter Bezirken zeigten zudem, dass die Betriebsführung eines größeren Versammlungsortes bei der Bezirksverwaltung in guten Händen liege. Pro Bürgerzentrum hat sich inzwischen eine Art große Koalition gebildet. „Würde man den Kursaal nur aus monetären Gründen vermieten und Bürgerinteressen verdrängen, würde eine große Chance zur Stärkung des Bezirks vertan“, sekundiert Bettina Wilhelm, die OB-Kandidatin der SPD.

Klemmende Rohre verzögerten die Sanierung

Ein Gutachten im Auftrag der Verwaltung zu möglichen Betriebsformen des Kursaals liegt offenbar bereits seit Jahresfrist vor. Nur weiß außer dem Auftraggeber Föll keiner genau, was drin steht. Vergeblich hatten die Grünen eine Debatte darüber noch vor der Sommerpause im Wirtschaftsausschuss des Gemeinderats gefordert. Laut Föll soll die Expertise nun im Herbst in die politischen Gremien kommen. „Die Funktion eines Bürgerhauses stelle ich beim Kursaal nicht infrage“, betonte Föll auf Nachfrage. Diskussionswürdig sei aber weiterhin, ob es „in Form eines Add-Ons zusätzlich zum Bürgerhaus weitere Nutzungen geben könnte“.

Auch im Untergrund der einstigen Badeanstalt rumort es, seit im Dezember 2007 mit der Neufassung der drei Cannstatter Kursaalquellen begonnen wurde. Bei Routineuntersuchungen Anfang des Jahres stellten Mitarbeiter des Umweltamtes eine außergewöhnliche Versinterung der Quellen fest, deren Wasser die Becken des Cannstatter Mineralbads füllen. „Schüttung und Druck am Quelltopf sind konstant, nur am Ende kommt weniger raus als gewöhnlich“, schildert Anke Senne, Leiterin der Bäderbetriebe Stuttgart, die Folgen der Verstopfung. Derzeit werden Proben des Sintermaterials aus den Quellleitungen entnommen, die Aufschluss über Gegenmaßnahmen geben sollen. „Der Heilquellenschutz war zu keiner Zeit gefährdet“, betont Senne.

Schon zu Beginn der Sanierungsarbeiten hatten poröses Gestein, versteckte Hohlräume und klemmende Rohre die ursprünglich auf neun Monate anvisierten Neufassung von Wilhelmsquelle I und II sowie der Gottlieb-Daimler-Quelle erheblich verzögert. Zudem wurden die Arbeiten im Herbst 2010 unterbrochen, um mit der Sanierung des Kursaals beginnen zu können. In den nächsten Tagen soll die Neufassung von Wilhelm II, der letzten noch unsanierten Kursaal-Quelle, starten. „Wir rechnen mit einer relativ kurzen Bohrzeit von fünf Monaten“, sagt Senne. Die Wilhelmsquelle II reicht nur bis 35 Meter Tiefe, während die Schwesterquellen bis zu 135 Meter unter der Oberfläche sprudeln. Ob die mehrfach auf inzwischen 2,45 Millionen Euro angestiegenen Kosten beim letzten Bauabschnitt weiter in die Höhe schießen, wird sich wegen des zerklüfteten Cannstatter Untergrunds erst während der Bohrung zeigen.