Azubis dringend gesucht: In der Region Stuttgart sind kurz vor dem Start des neuen Ausbildungsjahrs noch mehr als 800 Stellen zu vergeben. Foto: dpa

Am 1. September beginnt das neue Ausbildungsjahr. Doch viele Betriebe auf den Fildern haben immer noch freie Leerstellen. Vertreter von Firmen erzählen von ihren Nöten.

Filder - Die Wurst hat bekanntlich zwei Enden, die Nachwuchssorgen der Metzgereibetriebe dagegen offenbar gar keines. „Leider Gottes ist es Realität, dass sich immer weniger junge Leute vorstellen können, in einer Metzgerei zu arbeiten“, klagt Simon Schreiber. Er arbeitet bei der Metzgerei Schneider an der Filderhauptstraße in Plieningen. Sein Betrieb gehört zu einem Familienunternehmen, das mehrere Filialen in Stuttgart betreibt. Am Freitag, 1. September, beginnt das neue Ausbildungsjahr. Doch ein Drittel der zu vergebenen Stellen sei bei der Metzgerei Schneider noch offen, sagt Schreiber.

Auch die Plieninger Metzgerei könnte noch einen Azubi gebrauchen, der mit anpackt. Nur, es findet sich niemand. Schreider sieht die Ursache für den Mangel in der Reputation der Branche und des Berufsbilds Metzger. „Für viele hat das was mit Blut zu tun. Dabei gibt es in einer Metzgerei viele verschiedene Tätigkeiten“, sagt er.

Fleischereibetriebe leiden unter Image

Sicher, wer sich in einer Metzgerei ausbilden lasse, müsse mit Fleischwaren umgehen können und etwa lernen, wie Wurst gemacht wird. Dass dabei schmackhafte Lebensmittel produziert werden, die ein Genuss sein sollen und es sich keineswegs um ein grobschlächtiges Handwerk handele, sei immer schwerer zu vermitteln, meint er. Auch wenn der Anteil der Vegetarier und Veganer immer noch überschaubar sei, habe der Fleischkonsum mittlerweile ein Imageproblem. „Wir versuchen, die Öffentlichkeit aufzuklären, aber für kleinere Betriebe ist der Nachwuchsmangel schon heute existenzgefährdend“, sagt Schreiber. Die Metzgerei Schneider profitiere davon, dass sie eben mehrere Filialen habe und breiter aufgestellt sei. Um die Zukunft des Unternehmens mache er sich deshalb im Moment keine Sorgen, sagt Schreiber.

Nicht nur die Metzgereibranche sucht händeringend nach Nachwuchs. „Es gibt noch jede Menge Ausbildungsplätze“, sagt Gerd Kistenfeger, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Handwerkskammer Region Stuttgart. Er nennt neben Fleischereibetrieben auch Maler, Friseure und Goldschmiede, die noch dringend Auszubildende suchen. Dieter Proß, Leiter der Berufsbildung der Industrie- und Handwerkskammer Region Stuttgart, hat den Eindruck, dass in der Region Stuttgart noch nie so viele Lehrstellen unbesetzt sind wie in diesem Jahr. In der Lehrstellenbörse zählt er 820. Gesucht würden Verkäuferinnen und Kaufleute im Einzelhandel, sagt er. Aus seiner Sicht hat die hohe Zahl der unbesetzten Lehrstellen mehrere Gründe. Es gebe zum einen den Trend zu höheren Bildungsabschlüssen wie dem Studium, meint er. Zum Teil würden aber auch die Betriebe sich auf den immer dünner gesäten Nachwuchs unzureichend einstellen. „Es kommt immer drauf an, wie gut sich Firmen bei der Suche vermarkten“, sagt er.

Lapp Kabel wirbt mit Familienfreundlichkeit

Größere Unternehmen haben offenbar weniger Probleme mit dem Werben um neue Auszubildende. Die Firma Lapp Kabel in Möhringen ist weltweit mit 40 eigenen Vertriebsgesellschaften tätig und beschäftigt mehr als 3400 Mitarbeiter. Sie sieht sich selbst, wie es der Sprecher Markus Müller formuliert, als größeren Mittelständler an. Bei Lapp Kabel würden 23 Auszubildende vom 1. September an beginnen, sagt Müller. Dies entspreche den Zahlen der vergangenen Jahre. Das Unternehmen könne seine Ausbildungsplätze also besetzen. Mühelos gelinge das dem Unternehmen angesichts der Konkurrenz von noch größeren Unternehmen wie Daimler, Porsche oder Bosch aber auch nicht. Mittelständische Firmen müssten den Auszubildenden etwas bieten, um sich von der Konkurrenz abzusetzen, meint Müller.

Lapp Kabel werbe zum einen damit, dass der Betrieb sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf die Fahnen schreibt. Das sei längst nicht mehr nur für Frauen ein Anreiz, sagt er. „Auch junge Männer interessieren sich dafür, wie wir es bei uns im Betrieb mit der Elternzeit halten “, sagt Müller. Der Möhringer Betrieb biete den Nachwuchskräften außerdem an, Stationen ihrer Ausbildung im Ausland zu machen. Auch das sei für viele interessant, sagt der Sprecher des Unternehmens.

Klagen über Bildungsniveau

Der Fliesenleger Jens Bubeck hat seit 1997 eine Filiale in Degerloch. Er sieht noch ein ganz anderes Problem auf Betriebe zukommen als die abnehmende Zahl an Bewerbern um einen Ausbildungsplatz. Bubeck beklagt das Bildungsniveau, das junge Leute heute mitbringen würden. Er müsse regelmäßig in die Weiterbildung investieren, weil zum Teil sogar die Rechtschreibung nicht sicher beherrscht werde. „Viele tun sich auch schwer, Lösungen zu finden, wenn mal etwas ein bisschen anders läuft“, sagt er. Trotz dieser Schwierigkeiten will Bubeck weiter ausbilden. „Ohne Azubis gibt es irgendwann mal gar keine Fachkräfte mehr, und die suchen wir heute schon händeringend.“